Kein realistisches Szenario

Bundesbank-Präsident Weidmann gegen Bargeldabschaffung

15.06.15 09:39 Uhr

Bundesbank-Präsident Weidmann gegen Bargeldabschaffung | finanzen.net

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat sich gegen eine Abschaffung des Bargelds ausgesprochen.

Bei einer Konferenz in Frankfurt sagte Weidmann laut vorab verbreitetem Redetext, auch aus geldpolitischen Gründen wäre das nicht angezeigt. Einer weiteren Absenkung des effektiven Zinses seien wirtschaftspolitische Reformen vorzuziehen, mit denen das Wachstum gestärkt werden könne.

   "Eine Verdrängung des Bargelds ist aus meiner Sicht auf absehbare Zeit kein realistisches Szenario, unter anderem deshalb nicht, weil sich das Bargeld als Zahlungsmittel bei uns weiterhin großer Beliebtheit erfreut". sagte Weidmann.

   Weidmann ging außerdem näher auf die von manchen Ökonomen befürwortete Idee ein, die Nullzinsgrenze über die Abschaffung des Bargelds zu überwinden. Dahinter steckt der Gedanke, dass Banken die ihnen von der Zentralbank auferlegten Negativzinsen nicht an ihre Kunden weitergeben können, weil diese ihre Guthaben auch in bar halten könnten. Nähme man ihnen diese Möglichkeit, sänke dass Zinsniveau in der Wirtschaft weiter.

   "Ich halte diese Überlegungen im Kern für eine fehlgeleitete Diskussion", sagte der Bundesbank-Präsident. Neben technischen Gründen dafür führte Weidmann auch einen grundsätzlichen an. Die Leitzinsen sind seiner Aussage nach derzeit so niedrig, weil der Gleichgewichtszins wegen schwacher Wachstums- und Inflationsaussichten niedrig ist.

   "Die sehr hohe Staatsverschuldung und die damit einhergehende Belastung der privaten Unternehmen und Haushalte mit Steuern und Abgaben dürfte auch im Euro-Raum die wirtschaftliche Dynamik perspektivisch dämpfen. Hinzu kommt sicherlich in vielen Euro-Ländern auch die hohe private Verschuldung. Und auch die Verbesserung des Ausbildungssystems steht zu Recht in einzelnen Euro-Ländern auf der politischen Agenda", merkte der Bundesbank-Präsident an.

   Fakt sei, dass die genannten Umstände allesamt wachstumsbelastende Faktoren seien, die mit einer stabilitätsorientierten, aber noch expansiver ausgerichteten Geldpolitik nicht beseitigt werden könnten. "Wie aber sollte dann die Abschaffung des Bargelds helfen?", frage er. Entscheidend sei also, die Wachstumsschwäche anzugehen.

   Viel zielführender wäre es laut Weidmann, wenn die Regierungen der Mitgliedstaaten das Wachstum im Euroraum förderten, zum Beispiel in dem sie die notwendigen Reformen durchführten, um solide Staatshaushalte, wettbewerbsfähige Wirtschaftsstrukturen und leistungsfähige und effiziente öffentliche Verwaltungen zu erreichen.

   "Die Geldpolitik darf von Politik und Öffentlichkeit nicht als 'Heilsbringer' missverstanden und hinsichtlich ihrer wachstumsfördernden Möglichkeiten überfrachtet und im Ergebnis überfordert werden", sagte Weidmann. Finanzielle Repression mittels Negativzinsen ausüben zu wollen, sei kein Ausweg, sondern ein Holzweg.

   DJG/hab/kla Dow Jones Newswires

Bildquellen: Bundesbank