Armutsbekämpfung

Bedingungsloses Grundeinkommen und Sozialhilfe machen international Schule

10.01.17 17:50 Uhr

Bedingungsloses Grundeinkommen und Sozialhilfe machen international Schule | finanzen.net

Immer mehr Länder denken über ein bedingungsloses Grundeinkommen als mögliche Lösung für die Arbeitslosenproblematik nach. Nun könnte Indien das Land sein, welches das Konzept als erstes flächendeckend einsetzt.

In Indien leben trotz einer wachsenden Wirtschaft rund 30 Prozent der Bevölkerung in Armut. Die zunehmende Automatisierung in der Industrie dürfte dieses Problem noch verschärfen. Kein Wunder also, dass sich die Regierung in Neu-Delhi Gedanken über neue Wege zur Bekämpfung der Armut macht.

Positive Pilotprojekte in Indien

Wie Professor Guy Standing, ein langjähriger Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), gegenüber "Business Insider" erklärte, wird das indische Finanzministerium im Rahmen seines jährlichen Economic Survey einen Bericht veröffentlichen, in dem das BGE als ein "Weg für die Zukunft" eingeordnet wird.
Vorausgegangen waren einige Pilotprojekte mit dem bedingungslosen Grundeinkommen in Indien. Laut Prof. Standing konnte dabei nicht nur eine Verbesserung in den Bereichen Gesundheit, Hygiene und schulischer Leistung festgestellt werden, sondern auch eine wachsende Eigenständigkeit der Hilfsempfänger.
Zwar geht Prof. Standing von der School for African and Oriental Studies nicht davon aus, dass das BGE von heute auf morgen eingeführt wird, jedoch hält er es durchaus für möglich, dass Indien das Konzept als erstes umsetzen wird.

Vergessenes Sozialexperiment in Kanada

Die Frage, wie Sozialhilfeempfänger am besten dazu motiviert werden können, sich wieder in die Arbeitswelt zu integrieren, ist nicht neu. Bereits 1974 startete die damals linksliberale kanadische Regierung im kleinen Ort Dauphin ein interessantes Experiment: Etwa 1.000 Familien erhielten eine finanzielle Unterstützung, deren Höhe vom vorherigen Einkommen abhing. Für jeden hinzuverdienten Dollar reduzierte sich das Grundeinkommen, jedoch nur um 50 Cent.

Im Zuge der großen Ölkrise und ihrer Folgen wurde das Experiment dann aber 1979 eingestellt und geriet in Vergessenheit. Erst 2009 fand Professor Evelyn Forget, Professorin der Ökonomie an der University of Manitoba, die Akten in den Archiven. Eine vorläufige Auswertung deutet auf einen Erfolg des Experiments hin: Das neue Gefühl der Sicherheit steigerte anscheinend das körperliche und seelische Wohlbefinden der Teilnehmer. Dies zeigte sich in einem geringeren Krankenstand, einer sinkenden Scheidungsrate und mehr Schulabschlüssen.

Daneben profitierte der Einzelhandel von einem anziehenden Konsum. Auch auf dem Arbeitsmarkt zeigten sich positive Effekte, weil einige Testteilnehmer das Geld für Anschaffungen nutzten, die ihre Chancen auf dem Markt verbesserten.

Finnland testet Grundeinkommen auf nationaler Ebene

Auch wenn die Auswertung des Experiments in Kanada noch nicht abgeschlossen ist, finden sich zunehmend auch westliche Länder, die testen, ob ein Grundeinkommen geeignet sein könnte, um ihre sozialen Systeme zu vereinfachen und mehr Menschen in Arbeit zu bringen.

Seit Januar 2017 erhalten in Finnland 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose für eine Testzeit von zwei Jahren monatlich 560 Euro steuerfrei. Hieran sind keine Bedingungen geknüpft, das heißt weniger Bürokratie und keine Kürzung bei einem Zuverdienst. Das Ziel ist es, den Menschen sowohl mehr finanzielle Sicherheit, als auch einen Anreiz zum Arbeiten zu geben.

Niederlande testen bedingungslose Sozialhilfe

Auch die Niederlande ist auf der Suche nach dem richtigen Sozialhilfe-Modell und plant hierzu ein Experiment, bei dem unter anderem eine bedingungslose Sozialhilfe gezahlt wird. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, was man von Hilfsempfängern verlangen darf, wie viel Freiraum sie brauchen oder wie sie am besten zu einer Beschäftigungsaufnahme motiviert werden können. Das Experiment wird von der Universität Utrecht geleitet.

Der Utrechter Ökonom Loek Groot tritt der verbreiteten Ansicht entgegen, dass Hilfsempfänger sich möglichst wenig anstrengen wollten, um so viel Geld wie möglich zu erhalten: "Das ist vielleicht zu einfach gedacht." Gegenseitigkeit spiele eine wesentliche Rolle im menschlichen Verhalten, erläutert Groot. Und weiter: "Wenn Menschen etwas erhalten, fühlen sie sich verpflichtet, etwas zurückzugeben."



Redaktion finazen.net

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