Anleihekäufe - bedingt

EZB-Chef Draghi nimmt Regierungen in die Pflicht

02.08.12 17:34 Uhr

EZB-Chef Mario Draghi hat seine Andeutungen auf neue Anleihekäufe präzisiert. Erst müsse der EFSF ran, bevor die EZB einschreite.

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EZB-Chef Mario Draghi will den Rettungsfonds EFSF bei möglichen Anleihekäufen mit im Boot haben. "Die hohen Risikoprämien für einige Staatsanleihen sind nicht akzeptabel", sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag auf der Pressekonferenz im Anschluss an den Zinsentscheid in Frankfurt. Draghi kündigte an, dass die EZB möglicherweise wieder Anleihen kaufen könnte, nahm jedoch auch die Regierungen in die Pflicht. Der Rettungsfonds EFSF müsse aktiviert werden, um dem Problem der hohen Renditen zu begegnen.

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KEIN SOFORTIGES EINGREIFEN DER NOTENBANK

Ein sofortiges Eingreifen der EZB an den Anleihemärkten schloss Draghi aus. Details würden erst in den kommenden Wochen beschlossen. Damit könnte sich wie bereits im Vorfeld von vielen Experten vermutet eine Kombi-Lösung abzeichnen, bei der sowohl EZB als auch Rettungsfonds an den Anleihemärkten intervenieren.

Die Notenbank werde sich auf das kurze Ende der Renditekurve konzentrieren, sagte Draghi. Der EZB-Chef sagte zudem, dass der bevorzugte Gläubigerstatus, den die EZB bei Markteingriffen genießt, geklärt werden müsse. Viele Investoren schreckt ab, dass die Notenbank bei Umschuldungen wie in Griechenland vorrangig behandelt wird.
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EURO FÄLLT AUF TAGESTIEF UNTER 1,22 DOLLAR

Die Finanzmärkte reagierten enttäuscht, der Euro fiel auf ein Tagestief unter die Marke von 1,22 US-Dollar. Die zehnjährige Rendite für italienische Staatsanleihen kletterte zurück über die Schwelle von sechs Prozent.

Der DAX drehte nach den Draghi-Aussagen ins Minus und verlor fast zwei Prozent auf 6.630 Punkte. Die Kurse der als sicher gehandelten deutschen Anleihen schossen nach, und der richtungsweisende Euro-Bund-Future stieg auf ein Tageshoch bei 144,73 Punkten. UNSICHERHEIT BLEIBT HOCH; WACHSTUM SCHWACH
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Draghi sagte außerdem, die Unsicherheit im Euroraum bleibe hoch und das Wachstum schwach. Die Indikatoren würden auf schwache wirtschaftliche Aktivität im zweiten Quartal hinweisen. Die Inflationserwartungen dürften weiter zurückgehen.

Zuvor hatte die EZB den Leitzins wie erwartet auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent belassen. Obwohl die Schuldenkrise zuletzt eskaliert war, hatten die wenigsten Volkswirte nach der historischen Zinssenkung von Anfang Juli rasch mit einem erneuten Zinsschritt gerechnet.

IMMENSE ERWARTUNGEN AN DEN FINANZMÄRKTEN

Draghi hatte vor einer Woche bei einer Rede in London gesagt: "Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir - es wird ausreichen." Damit waren an den Finanzmärkten immense Erwartungen geschürt worden.

Zumal der Notenbankchef darüber hinaus betonte, dass Störungen des geldpolitischen Transmissionsmechanismus in den Zuständigkeitsbereich der EZB fallen - mit ähnlichen Hinweisen waren bereits früher Anleihekäufe begründet worden.

SPANIEN UND ITALIEN FUNKEN SOS AM ANLEIHEMARKT

Die großen Krisenländer Spanien und Italien rufen wegen der hohen Zinsen, unter denen sie am Anleihemarkt leiden, schon länger nach Unterstützung der Notenbank. Die hält sich jedoch bereits seit März mit Käufen zurück.

Die Rettungsfonds EFSF und ESM haben vertraglich die Möglichkeit, Papiere bedrängter Euroländer zu erwerben und dürfen anders als die Notenbank auch am Primärmarkt kaufen, also direkt bei Auktionen neuer Anleihen mitbieten.

Dafür müsste jedoch ein formeller Antrag der Staaten gestellt werden, was bislang nicht der Fall ist. Kritiker monieren, dass die Mittel der Fonds begrenzt sind. Dafür würde Hilfe auf diesem Weg nur unter strikten Auflagen erfolgen, was bei Markteingriffen der EZB nicht der Fall wäre./hbr/jkr

FRANKFURT (dpa-AFX)