Aktienstrategie-Kolumne Wolfgang Braun

Ziemliche Abzocke

01.04.10 12:16 Uhr

Ziemliche Abzocke | finanzen.net

Es hat eine Weile gedauert, bis der IPO-Markt in Deutschland wieder in Schwung kommt.

Nach dem Börseneinbruch in 2008 hatte es im vergangenen Jahr mit Vtion Wireless gerade einmal einen Neuzugang im Prime Standard gegeben. Das Emissionsvolumen fiel dabei mit 48 Millionen Euro nicht gerade üppig aus. Nachdem der DAX von seinem Tief rund 70 Prozent zugelegt hat, trauen sich die ersten Kandidaten aus ihren Löchern. Was dabei zum Vorschein kommt, ist allerdings alles andere als erfreulich.

Eigentlich hätte man nach der langen Durststrecke erwarten können, dass sich bei den Banken eine ordentliche Liste an interessanten Firmen angesammelt hat, die jetzt zu angemessenen Preisen an die Anleger ausgegeben werden. Damit hätten sich auch die Finanzhäuser einen Gefallen getan. Denn laufen die ersten Emissionen gut, ist der Grundstein für weitere Börsengänge gelegt. Doch leider scheinen die Beteiligten auch hier wieder nur an schnellen Profiten interessiert zu sein. Besonders unverschämt war das IPO von Kabel Deutschland. Obwohl der Konzern hoch verschuldet ist und das Geld gut hätte brauchen können, floss der gesamte Erlöse an die Alteigentümer (eine Heuschrecke). Hier kann man getrost von Abzocke sprechen. Kein Wunder, dass die Aktie inzwischen klar unter den Ausgabepreis gerutscht ist. Nicht viel besser sieht es bei Tom Tailor und Brenntag aus. Hier fließen die frischen Mittel zwar in den Schuldenabbau. Die waren den Konzernen aber zuvor von Private-Equity-Firmen aufgebürdet worden. Immerhin hält sich das Duo (bislang) noch etwa auf dem Emissionskurs.

Die einzige interessante Aktie unter dem Quartett, das zuletzt am Prime Standard gelistet wurde, ist die chinesische Jouyou. Die Herstellung von Badarmaturen hört sich zwar nicht nach einem Boom-Markt an, dank der guten Wirtschaftsentwicklung in China könnte der Konzern aber eine Wachstumsstory hinlegen. Dazu passen die Emissionsdaten: Konkrete Pläne für die Mittelverwendung, kaum Abgaben von Altaktionären und eine vertretbare Bewertung. Entsprechend gut schnitt die Aktie in den ersten beiden Tagen ihres Börsendaseins ab. Fragt sich nur, warum es die Banken nicht geschafft haben, ein innovatives und wachstumsträchtiges deutsches Unternehmen für ein IPO zu finden. In Anbetracht der langen Dürreperiode ist die Qualität der jetzigen Emissionen enttäuschend.

Wolfgang Braun ist Chefredakteur der „Aktien-Strategie“ (früher Global Performance). Der seit 1999 erscheinende Börsenbrief hat sich auf deutsche Wachstums-Aktien spezialisiert. Dank einer ausgefeilten und bewährten Anlagestrategie schlägt das Musterdepot die Vergleichsindizes deutlich. So schaffte das Depot seit seiner Auflegung im März 1999 eine durchschnittliche jährliche Performance von rund 15 Prozent - obwohl in diesen Zeitraum der dramatische Niedergang des Neuen Marktes sowie die Finanzkrise 2008 fällt. Weitere Informationen unter www.aktien-strategie.de

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