Euler Hermes plant keinen Angriff auf die Platzhirsche
Der weltweit größte Kreditversicherer Euler Hermes will nicht als Konkurrent mächtiger Ratingagenturen auftreten. Wilfried Verstraete, Vorstandschef der Allianz-Tochter, über die Gründe.
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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Vor Kurzem bekam Kreditversicherer Euler Hermes vom Committee of European Securities Regulators (CESR) als erster und einziger Konzern seiner Branche eine Zulassung als Ratingagentur für Europa. Dennoch will Verstraete die Firma nicht als Speerspitze gegen die mächtige US-Konkurrenz einsetzen. Die Euler-Hermes-Tochter betreut mittelgroße Firmen. Diese Klientel sei für die großen Ratingagenturen nicht interessant.
Euro am Sonntag: Herr Verstraete, Ihr französischer Wettbewerber Coface will den großen Ratingagenturen künftig Konkurrenz machen. Wie sehen Sie die Rolle der Kreditversicherer im Markt von Moody’s und Standard & Poor’s?
Wilfried Verstraete: Wir sind skeptisch. Zwar haben Kreditversicherer die Kompetenz und Fachkenntnis um die Dienstleistung einer Ratingagentur anzubieten. Das interne Ratingsystem zur Bewertung von Firmen ist für uns allerdings ein wertvolles Betriebsgeheimnis, das wir durch die bei Ratingagenturen üblichen öffentliche Bewertungen nicht preisgeben wollen.
Wo liegt das Risiko?
Wegen der umfangreichen Datenbanken mit Firmendaten und der eigenen Ratingsysteme von Kreditversicherern sind die Eintrittsbarrieren in den Markt bisher sehr hoch. Durch die Veröffentlichung oder den Verkauf von Ratings wären Rückschlüsse auf unsere internen Bewertungssysteme möglich. Dann könnte jeder in kurzer Zeit ins Kreditversicherungsgeschäft einsteigen.
Wenn Coface den Schritt in den neuen Markt wagt, kommt auch Markführer Euler Hermes unter Zugzwang.
Jeder Kreditversicherer hat sein eigenes System. Wird glauben, dass unser System am besten auf die individuelle Risikoprofil des jeweiligen Kreditnehmers ausgerichtet ist.
Sind auch die Zahlungsmodalitäten im Ratinggeschäft ein Hindernis für den Einstieg von Kreditversicherungsunternehmen?
Ja. Das Rating sollte nicht der Auftraggeber bezahlen, sondern wie im Kreditversicherungsgeschäft, jene, für die die Bewertung eines Unternehmens wichtig ist. Der nächste deutliche Unterschied zwischen dem Rating- und Kreditversicherungsgeschäft ist, dass Kreditversicherer für Fehler mit ihrem Eigenkapital haften. Diese Haftung ist ein wesentlicher Bestandteil der Qualität eines Ratings.
Es ist also schwer vorstellbar, dass die Regeln aus dem Kreditversicherungsgeschäft jetzt als Lehre aus der Finanzkrise auf den Markt der Ratingagenturen übertragen werden?
Ja. Aus unser Sicht ist die fehlende Haftungspflicht der Agenturen sogar ein grundsätzliches Problem in Bezug auf die Glaubwürdigkeit eines Ratings. Zudem ist in der Kreditversicherung Diskretion notwendig. Wenn wir zum Beispiel planen das Engagement bei einem Risiko zu reduzieren, besprechen wir das mit dem Versicherten. Als Ratingagentur müssten wir die veränderte Einschätzung des Risikos sofort öffentlich machen. Das würde die negative Entwicklung in der Situation zusätzlich beschleunigen.
Wird der Einstieg von Kreditversicherungsfirmen den Markt der Ratingagenturen dennoch verändern?
Nein. Das erwarte ich nicht. Wir sind im Gespräch mit den Behörden und der Politik und offen für Diskussionen. Bisher liegt jedoch kein Vorschlag auf dem Tisch, der für uns praktibel wäre.
Allerdings hat Euler Hermes vor Kurzem in Europa als erster Kreditversicherer eine Zulassung des Committee of European Securities Regulators (CESR) als Ratingagentur bekommen. Worin liegt der Unterschied?
Wir haben 2001 in Deutschland eine kleine Firma zur Bewertung mittelständischer Firmen bei Bankdarlehen gegründet. Mit elf Mitarbeitern ist sie im Vergleich zu den 1800 Kollegen, die für Euler Hermes in Deutschland arbeiten, jedoch sehr klein. Wir brauchen diese Zulassung um das Geschäft unter der neuen europäischen Gesetzgebung weiterzuführen. Natürlich sind wir stolz als erster und bisher einziger die Zulassung erhalten zu haben. Wir erwarten dadurch jedoch kein überproportional kein starkes Wachstum in diesem Geschäft.
Immerhin haben Sie jetzt einen Fuß im Markt der großen Ratingagenturen.
Das stimmt nicht ganz. Wir wollen uns nicht auf das Territorium von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch begeben. Der Bereich mittelgroße Unternehmen, in dem wir uns in Deutschland bewegen, ist für diese Unternehmen nicht interessant.
Der Vorstandschef
Wilfried Verstraete wurde am 1. April 2009 zum Vorstandsvorsitzenden der Euler Hermes Gruppe berufen. Von 1996 bis 2004 war Verstraete Finanzvorstand der France Télécom Töchter Mobistar (Brüssel), Wanadoo (Paris) und Orange (London). Im Anschluss war der Zahlenfachmann bis 2006 Vorstandsvorsitzender des Kreditversicherers Atradius, bevor er als Finanzvorstand zu Allianz Global Corporate & Specialty wechselte. Wilfried Verstraete, gebürtiger Belgier, besitzt ein Wirtschaftsdiplom der Freien Universität Brüssel (VUB) und einen Master in Finanzmanagement der Vlaamse Economische Hogeschool Brüssel. Er ist darüber hinaus Absolvent des Insead International Executive Program.
Der Konzern
Der Kreditversicherungskonzern Euler Hermes ist mit 36 Prozent Marktanteil die Nummer 1 seiner Branche.
Der Münchener Versicherungskonzern Allianz hält 68 Prozent der Unternehmensanteile. Das Unternehmen mit Sitz in Paris, beschäftigt 6200 Mitarbeiter in 50 Ländern. 2009 belief sich das Prämienvolumen auf 2,1 Milliarden Euro. Euler Hermes versichert die Risiken von weltweit 40 Millionen Unternehmen in einem Gesamtwert von 700 Milliarden Euro.
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