„Wie soll BMW auf Rekordkurs bleiben, Herr Reithofer?“
BMW-Group-Chef Norbert Reithofer ist dem allgemeinen Konjunktur-Pessimismus zum Trotz optimistisch und erklärt, wie der Autobauer spritsparend Gas geben will.
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Das Interview führte €uro-Redakteur Mario Müller-Dofel.
€uro: Herr Reithofer, das Wachstum der Weltwirtschaft schwächt sich nach anderthalb Boomjahren nun wieder ab. Wird BMW seine Ziele für 2011 dennoch erreichen?
Norbert Reithofer: Ja. Wir sind auf einem guten Weg, im Gesamtjahr der weltweit führende Premiumhersteller zu bleiben und unsere Jahresziele zu erreichen. Wir streben weiterhin einen Rekordabsatz von mehr als 1,6 Millionen Fahrzeugen und eine operative Marge im Segment Automobile von über zehn Prozent an.
Und was erwarten Sie für 2012?
Reithofer: Das weltweite Wirtschaftswachstum dürfte sich weiter abschwächen, allerdings rechne ich derzeit nicht mit einer Rezession. Was die BMW Group angeht, sind wir weiter zuversichtlich, da die Nachfrage nach unseren Fahrzeugen positiv ist.
Angenommen, es kommt doch eine Rezession. Ist BMW darauf vorbereitet?
Reithofer: Wie gesagt, wir rechnen nicht mit einem Absturz der Weltwirtschaft. Inzwischen könnten wir aber noch deutlich flexibler auf Marktschwankungen reagieren als vor einigen Jahren. Unsere Strukturen sind schlanker, die Kosten niedriger und wir verfügen über eine junge Modellpalette.
Dennoch ist die BMW-Aktie diesen Sommer abgestürzt.
Reithofer: Der Kurs ist im Zuge der Turbulenzen an den Finanzmärkten gefallen – aber nicht so stark wie bei manchem Wettbewerber. Dies hat aber auf unsere Strategie, die langfristig ausgerichtet ist, keinen Einfluss.
Die Staatsschuldenkrise in Europa spitzt sich zu, was der Wirtschaft schadet. Viele Ökonomen sehen den Euro kritischer als die Politik. Welche Meinung haben Sie zu diesem Thema?
Reithofer: In der Diskussion wird oft vergessen, dass der Euro für Beschäftigung und Wohlstand gesorgt und die Rolle Europas als Wirtschaftsmacht gestärkt hat. Deutschland profitiert als Exportnation stark von der Gemeinschaftswährung. Wichtig ist nun, die Voraussetzungen für einen dauerhaft stabilen Euro zu schaffen.
Aber wie?
Reithofer: Die ursprünglich vereinbarten Stabilitätsregeln müssen gestärkt und ihre Einhaltung sichergestellt werden.
Seit Jahren verdankt BMW sein Wachstum vor allem der steigenden Nachfrage in Asien – insbesondere in China. Doch auch dort wird das Wirtschaftswachstum wohl nachlassen. Wie steuern Sie dagegen?
Reithofer: Wir streben weiterhin ein weltweit ausbalanciertes Absatzwachstum an. So lag bei uns der Anteil Chinas am Gesamtabsatz in den ersten neun Monaten lediglich bei rund 14 Prozent. Bis einschließlich September haben wir in Asien insgesamt etwa 280 000 Fahrzeuge verkauft, in Nordamerika und 245 000 und in Europa knapp 635 000.
Welche Rolle spielen zurzeit die Rohstoffkosten?
Reithofer: Wir erwarten im laufenden Jahr Zusatzbelastungen aufgrund gestiegener Preise beispielsweise bei Stahl, Aluminium und Kupfer. Momentan gehen wir jedoch davon aus, dass sich diese durch positive Währungseffekte ausgleichen werden.
Im Jahr 2013 wollen Sie den BMW i3, ein zu großen Teilen aus leichten Kohle-fasern gebautes Elektroauto, auf den Markt bringen. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Reithofer: Was Design und Technik angeht, sind wir auf einem sehr guten Weg. Das Fahrzeug wurde maßgeschneidert für den emissionsfreien Elektroantrieb entwickelt. Die Konzeptstudie gibt schon einen guten Ausblick auf das Endprodukt. Die Resonanz des Publikums während der Internationalen -Automobil-Ausstellung IAA im September in Frankfurt war sehr positiv. Es wird übrigens 250 bis 350 Kilogramm leichter sein als ein herkömmliches Fahrzeug mit E-Motor.
Es wird spekuliert, dass Sie den i3 für einen Verkaufspreis von rund 40 000 Euro auf den Markt bringen wollen. Stimmt das?
Reithofer: Es ist noch zu früh, um über den Verkaufspreis zu sprechen.
Wo wollen Sie das Fahrzeug zum Verkaufsstart anbieten?
Reithofer: Es soll in fast allen Millionenstädten weltweit zum Einsatz kommen. Wir haben ja schon mit Versuchsflotten des Mini E viele Erfahrungen beim Thema Elektromobilität gemacht – in den USA, China und Europa. Bis 2030 wird bekanntlich mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten leben mit entsprechenden Herausforderungen in punkto Mobilität und Umweltbelastung.
Wie hoch werden die Unterhaltskosten für den i3 sein?
Reithofer: Das ist zu diesem frühen Zeitpunkt schwer zu beziffern. Wenn Sie die leere Batterie des Fahrzeugs wiederaufladen, kostet das jedoch weniger als fünf Euro. Damit können Sie dann rund 160 Kilometer fahren. Bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor wird es also deutlich teurer.
Auf der nächsten Seite erfahren Sie, was Reithofer vom neuen Carsharing-Geschäft bei BMW erwartet und wie er zur Kritik des ADAC an der neuen Auto-Ökolabel-Verordnung steht.
Viele Großstädte in der Welt wachsen, dafür sinken die Bevölkerungszahlen auf dem Land – also dort, wo die Menschen am meisten aufs Auto angewiesen sind. Kommen den Autobauern folglich langsam die Kunden abhanden? In Tokio zum Beispiel haben bereits zwei Drittel der jungen Erwachsenen keinen Führerschein.
Reithofer: Das bereitet mir keine Sorgen, aber man muss die richtigen Fahrzeuge anbieten. Für die zunehmende Urbanisierung ist beispielsweise der BMW i3 genau das Richtige. Ich sehe auch keinen generellen Trend bei jungen Menschen, der weg vom Automobil geht. Auf der IAA, die mit über 900 000 Besuchern einen deutlichen Besucherzuwachs hatte, konnte man auch viele Jugendliche beobachten, die sich begeistert unsere Fahrzeuge angesehen haben. Und wer kein eigenes Auto besitzen möchte, kann unser Carsharing-Angebot „DriveNow“ nutzen.
Auch Daimler und Volkswagen haben Carsharing-Projekte gestartet. Daimler hofft hier auf eine Million Kunden bis 2020 und eine Umsatzrendite von zehn Prozent. Wie lauten Ihre Ziele für DriveNow?
Reithofer: Wir haben unser Carsharing-Projekt gerade erst in München und Berlin gestartet. Über Umsatz- und Margenziele möchte ich deshalb noch nicht diskutieren. Wir sehen aber bis 2020 ebenfalls ein Potenzial von bis zu einer Million Kunden.
Abgesehen vom niedrigen Kraftstoffverbrauch: Was wird ein Auto in zehn Jahren noch alles können müssen? Werden wir dann zum Beispiel mit den Fahrzeugen sprechen, wie in den 80er-Jahren David Hasselhoff in der TV-Serie „Knight Rider“?
Reithofer: Wenn man will, wird man tatsächlich mit einem Fahrzeug sprechen können. Zwar vielleicht nicht wie in „Knight Rider“, aber bereits heute kann mir mein BMW 7er Nachrichten vorlesen. In jedem Fall werden die Autos noch weit mehr mit dem Internet vernetzt, komfortabler und sicherer sein – und natürlich viel sparsamer.
Wäre es möglich, dass langfristig auch Internetunternehmen wie Facebook und Google, Technologiekonzerne wie Siemens oder bestimmte Ökostromanbieter zu neuen Größen im Automarkt werden?
Reithofer: Darüber möchte ich nicht spekulieren. Mit Blick auf die Elektromobilität könnten zukünftig aber auch Wettbewerber erscheinen, die wir heute noch nicht auf dem Schirm haben. Beispielsweise Unternehmen aus dem Bereich Leistungselektronik und Elektromotoren, die heute in anderen Branchen tätig sind.
Welche Rolle werden Kooperationen mit Technologie- und Ökostromanbietern für BMW spielen?
Reithofer: Wir werden weiter auf sinnvolle Kooperationen setzen. Ein gutes Beispiel ist unser Joint Venture mit dem Wiesbadener Unternehmen SGL Carbon zur Herstellung von Karbonfasern. Sie sind ein Schlüsselmaterial für die Autoindustrie des 21. Jahrhunderts und werden die Art und Weise verändern, wie wir Autos entwickeln und bauen.
Ab Dezember 2011 müssen Neuwagen in Deutschland ein Ökolabel haben. Der ADAC kritisiert, dass durch eine bestimmte Rechenformel verbrauchsarme Kleinwagen schlechter bewertet werden als manche verbrauchsstärkere, größere Autos. Hat sich die Regierung bei der neuen Ökolabel-Verordnung von der Autolobby austricksen lassen?
Reithofer: Das sehe ich nicht so. Das Label bietet eine gute Orientierung, denn es informiert über den CO2-Ausstoß eines Fahrzeugs und darüber, wie effizient es in seinem Segment ist. Ich halte im Übrigen auch Versuche für nicht sinnvoll, kleinere gegen größere Fahrzeuge auszuspielen und Autofahrer unter Druck zu setzen, nur noch Kompaktautos zu kaufen. Man muss sich allmählich fragen, wie weit bei uns manche Leute die individuelle Freiheit einschränken wollen.
Meinen Sie auch die unternehmerische Freiheit?
Reithofer: Teilweise auch diese. BMW hat bereits vor Jahren – und damit deutlich früher als unsere Wettbewerber – damit begonnen, seine Fahrzeuge mit der Spritspartechnologie EfficientDynamics immer sparsamer zu machen. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Konkret sieht es wie aus?
Reithofer: In unserer Flotte beträgt der CO2-Ausstoß im Durchschnitt in Europa nur noch 148 Gramm pro Kilometer. Das entspricht einem durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch von 5,4 Litern Diesel oder 6,6 Litern Benzin pro 100 Kilometer. Auch bei großen Fahrzeugen haben wir den Verbrauch drastisch gesenkt: So benötigt ein BMW 730d durchschnittlich nur noch 6,8 Liter pro 100 Kilometer. Und diesen Weg gehen wir weiter. Ein gutes Beispiel ist dafür auch der BMW i8 – der wie der i3 über eine Fahrgastzelle mit kohlefaserverstärktem Kunststoff verfügt und die Leistung eines Sportwagens mit dem Verbrauch eines Kleinwagens kombiniert.
Wann kommt der i8 auf den Markt?
Reithofer: Zeitnah nach dem i3, den wir wie gesagt ab 2013 auf den Markt bringen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Norbert Reithofer wurde am 29. Mai 1956 in Penzberg (Oberbayern) geboren. Von 1974 bis 1983 studierte er in München – erst Maschinenbau, danach Fertigungstechnik und Betriebswissenschaft. Anschließend arbeitete Reithofer als Wissenschaftlicher Assistent an der TU München. Dort promovierte er auch. 1987 heuerte er beim Münchner Autohersteller BMW an, wo er bis 2000 diverse Managementposten durchlief, auch in Südafrika und den USA. Im März des Jahres 2000 wurde er Produktionsvorstand der BMW Group und im September 2006 ihr Vorstandsvorsitzender.
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