Darum ist es für Investoren oft ein Fehler frühzeitig Gewinne mitzunehmen
• Warum Geduld bei Aktieninvestitionen oft entscheidend ist
• Was Anleger über den Dispositionseffekt wissen müssen
• Langfristige Trends wertvoller als kurzfristige Gewinne
Eine der wohl bekanntesten Börsenweisheiten besagt: "An Gewinnmitnahmen ist noch niemand gestorben". Dieses Sprichwort soll Kapitalanleger daran erinnern, dass erst der realisierte Kursgewinn ein tatsächlicher Gewinn ist. Wer aber zu früh aus einem Investment aussteigt, lässt sich häufig noch größere Gewinne entgehen. Das Timing ist also entscheidend.
"The trend is your friend"
Die Börsengeschichte zeigt: Bullenmärkte - also Phasen, in denen die Kurse über einen längeren Zeitraum steigen - dauern im Schnitt mehrere Jahre, oft sogar ein Jahrzehnt an. Im Vergleich dazu sind Bärenmärkte, die durch fallende Kurse geprägt sind, meist deutlich kürzer - für Anleger aber häufig auch emotional belastender. Wer in der Euphorie eines Bullenmarktes Gewinne zu früh mitnimmt, riskiert, die langfristige Wertsteigerung zu verpassen.
Das zeigt auch ein Blick auf die Dominanz der Techriesen in den USA. Die sogenannten "Magnificent Seven", Apple, Microsoft, Amazon, Google-Mutter Alphabet, Facebook-Mutterkonzern Meta, Tesla und NVIDIA, waren zeitweise die Haupttreiber der US-Märkte. Wer in diesen Erfolgsjahren ausgestiegen ist und Gewinne realisiert hat, hat die Chance auf größere Kursgewinne vergeben. Auch Anleger, die bei dem KI-Profiteur NVIDIA frühzeitig die Segel gestrichen haben, haben oft die stärksten Kursgewinne versäumt. Rein statistisch ist es nämlich wahrscheinlicher, dass ein bestehender Börsentrend noch länger anhält und nicht unbedingt abrupt endet.
Es ist also in der Praxis nicht immer sinnvoll, frühzeitig Buchgewinne einzustreichen. Denn allein die Tatsache, dass der Kapitalmarkt über mehrere Wochen, Monate oder vielleicht Jahre gut gelaufen ist, bedeutet noch lange nicht, dass es in absehbarer Zeit zu einem Crash oder einer Korrektur kommen muss.
Wenn sich der Markt also in einer allgemeinen Hausse befindet und die jeweiligen Unternehmensdaten keinen vernünftigen Grund für fallende Aktienkurse liefern, sollten Anleger mögliche Verkäufe genau überdenken - zumindest dann, wenn sie auf die Buchgewinne zum fraglichen Zeitpunkt nicht angewiesen sind. Das gilt insbesondere, wenn es keine besseren Anlagealternativen gibt. Die hohe Kunst der Börse besteht nämlich darin, Gewinne so lange laufen zu lassen, bis sich der vorherrschende Aufwärtstrend umkehrt.
Psychologische Fallen vermeiden
Es kommt allerdings nicht selten vor, dass Anleger der Versuchung unterliegen, Gewinne schnell zu realisieren, während sie Verlustpositionen oft zu lange halten. Dieses Verhalten, auch bekannt als Dispositionseffekt, ist ein häufiger Investorenfehler. Das Verhaltensmuster beschreibt, dass Anleger aufgrund einer Verlustaversion emotionale Entscheidungen treffen und wurde unter anderem in einer Studie von Hersh Shefrin und Meir Statman aus dem Jahr 1985 empirisch nachgewiesen.
Um den Dispositionseffekt zu vermeiden, sollten sich Investoren klare Anlageziele setzen und im Vorfeld über den Anlagehorizont, die angestrebte Rendite und einen möglichen Verkaufszeitpunkt entscheiden. Diese Ziele sollten in regelmäßigen Abständen aktualisiert und überprüft werden.
Auch eine regelmäßige Portfolioanalyse ist unerlässlich - dabei sollten Investoren die Bewertung ihres Depots von Unternehmenskennzahlen und Marktbedingungen, nicht aber von emotionalen Faktoren abhängig machen.
Darüber hinaus können Anlageentscheidungen automatisiert werden - etwa durch die Nutzung von Stop-Loss oder Take-Profit-Orders. Auch diese müssen aber in regelmäßigen Abständen geprüft und gegebenenfalls neu evaluiert werden.
Langfristige Trends zählen mehr als kurzfristige Schwankungen
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer langfristig investiert bleibt, profitiert vom Zinseszinseffekt und dem Wachstum innovativer Unternehmen - das zeigt auch ein Blick auf die Börsenhistorie. Anleger, die etwa in den frühen Jahren von Technologieunternehmen investiert haben, wurden für ihre Geduld belohnt - oft über Jahrzehnte hinweg.
Eine Aktie, die Anleger grundsätzlich also weiterhin überzeugt, bringt größere Chancen mit sich, wenn sie im Depot verbleibt. Denn während der maximal mögliche Verlust - etwa im Falle einer Insolvenz - 100 Prozent beträgt, ist der denkbare Gewinn nahezu unbegrenzt.
Teilverkauf als Alternative
Sicherheitsorientierte Investoren, die dennoch von Zeit zu Zeit ihre Gewinne mitnehmen möchten, können auch über einen Teilverkauf nachdenken. Der Teilverkauf bietet den Vorteil, dass Anleger mit einem Teil ihrer Investition weiterhin an der jeweiligen Aktienkursentwicklung partizipieren, wobei sich ihr möglicher Verlust, sofern es zu einer schnellen Trendumkehr kommen sollte, nur noch auf eine kleinere Position beschränkt.
Investoren, die solch eine Strategie verfolgen, reduzieren zwar unmittelbar ihr Risiko, schmälern natürlich jedoch auch ihre mögliche Rendite. Dennoch sind frühzeitige Gewinnmitnahmen nicht immer die schlechteste Alternative am Kapitalmarkt. Denn glücklicherweise sterben wegen Gewinnmitnahmen keine Aktionäre, sondern im schlimmsten Fall nur gute Investitionen.
Redaktion finanzen.net
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