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13. August 2014

Italien und Spanien: wirtschaftlicher Erfolg nur durch Anstieg der Nachfrage

Das italienische BIP ist im ersten und zweiten Quartal 2014 geschrumpft. In den letzten drei Jahren konnte Italien somit nur in einem Quartal BIP-Wachstum zeigen. Diese schwachen Zahlen werden generell mit unzureichenden Strukturreformen erklärt. Unter anderem ist oft zu vernehmen, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit Italiens kaum verbessert hat, weil Arbeitsmarktreformen (flexiblere Löhne, Produktivitätssteigerungen) nicht konsequent umgesetzt wurden. Überraschend ist das niedrige Wirtschaftswachstum aber dennoch, insbesondere im Vergleich zu Spanien, das seit Jahren mit den Folgen seiner geplatzten Immobilienblase und einem deutlich zu großen Bausektor zu kämpfen hat. Und obwohl die Häuserpreise weiter sinken, konnte Spanien in den letzten Quartalen dennoch ein kontinuierliches Wachstum verzeichnen.

Abb. 1: Wettbewerbsfähigkeitsindikator

Doch dass sich beide Länder seit der Krise so unterschiedlich entwickeln, liegt vielleicht gerade an der geplatzten spanischen Immobilienblase. Denn diese hat durch hohe Insolvenzquoten im Bausektor strukturelle Veränderungen forciert. Dies hat das Wachstum zwar stark belastet, aber auch die Neuausrichtung der Wirtschaft vorangetrieben, was deutlich am relativen Beitrag von Bausektor und Export am spanischen BIP zu erkennen ist: der Beitrag des Bausektors am BIP hat sich um rund 10 Prozentpunkte reduziert, der Exportanteil ist um 10 Prozentpunkte angestiegen. Da der Bausektor deutlich arbeitsintensiver ist, ging diese Veränderung mit einem nennenswerten Anstieg der Arbeitslosenquote einher.

Spanien zeigt erste Anzeichen und Erfolge seiner strukturellen Anpassungen. Solche deutlichen Anpassungen in der Zusammensetzung des BIP sind aus Italien nicht zu berichten. Die Exporte sind zwar in Relation zum BIP ebenfalls gestiegen, doch dürfte diese Entwicklung mehr mit der rückgängigen Binnennachfrage und der allgemeinen globalen Konjunkturerholung zu tun haben als mit verbesserter Wettbewerbsfähigkeit, die den Zugang zu globalen Wachstumsmärkten nachhaltig sicherstellt. Die strukturellen Probleme, also das Unvermögen der italienischen Wirtschaft, durch Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität an neuen Wachstumsherden teilzuhaben, sind allerdings schon lange bekannt. So folgt das italienische BIP-Wachstum schon seit über 40 Jahren einem statistisch negativen Trend. Das mag zwar für viele Industrieländer gelten, ändert jedoch nichts daran, dass es der italienischen Wirtschaft nicht gelungen ist, diesen negativen Trend durch Reformen und mehr Eigendynamik zu stoppen.

Doch sind Strukturreformen alleine und kurzfristig die Lösung? Mittelfristig wird durch Reformen die Sensitivität der Angebotsseite der Wirtschaft auf den Anstieg der Nachfrage erhöht (Angebotskurve wird elastischer). Anstatt zu höherer Inflation und zu Leistungsbilanzdefiziten führt die größere Nachfrage zu Wirtschaftswachstum und somit Wohlstand. Strukturreformen isoliert betrachtet erhöhen allerdings kurzfristig den Deflationsdruck und reduzieren durch erhöhte Unsicherheit am Arbeitsmarkt Wachstumsaussichten bzw. Binnennachfrage. Dies könnte durch fiskalische Sparmaßnahmen noch verstärkt werden. Benötigt werden Strukturreformen in Kombination mit ansteigender Nachfrage. Denn nur durch einen effektiven Nachfrageanstieg lassen sich die Vorteile von Strukturreformen realisieren. Diesen Zusammenhang stellt Abbildung 2 dar:

Abb. 2: EInfluss von Strukturreformen und Relevanz der Nachfrage

Die Euro-Krise bzw. die darauf folgende fiskalische Konsolidierung und das Platzen der Immobilienblase haben Volkswirtschaften wie Spanien und Italien von Punkt A nach B bewegt: Das Ergebnis waren Rezession und fallende Inflationsraten. Und bis heute bleibt in beiden Ländern die Produktion deutlich unterhalb des Vorkrisenniveaus. Strukturreformen haben die Angebotsseite Spaniens flexibler gemacht, nach rechts verschoben und damit eine Bewegung von B nach C verursacht: Die Inflation fällt weiter – unter anderem wegen fallender Löhne. Die preislichen Wettbewerbsvorteile haben die Wirtschaft gestützt, da die Exporte steigen bzw. sich die Leistungsbilanz verbessert. Doch nun muss nicht nur durch preisliche Wettbewerbsvorteile ein Anstieg der Nachfrage erfolgen, sondern auch durch konjunkturelle Impulse, damit die Wirtschaft deutlich wachsen und von den Reformen profitieren kann – eine Bewegung von Punkt C nach D.

Eine Erholung der Nachfrage in Verbindung mit preislichen Wettbewerbsvorteilen ist notwendig, um eine deutliche Verschiebung der Nachfragekurve und damit hohes Wirtschaftswachstum sicherzustellen (Bewegung von C nach D). Preisliche Wettbewerbsvorteile alleine (Bewegung von B nach C) reichen oftmals nicht aus, wenn der Exportanteil am BIP zu gering ist. Deutliche Nachfrageimpulse durch die Binnennachfrage sind dann notwendig. Diese können zum Beispiel auch durch Investitionen ausgelöst werden, die aus zunehmendem Vertrauen der Unternehmer in die wirtschaftliche Entwicklung resultieren. Der Anstieg der Nachfrage (Verschiebung der Nachfragekurve) wird allerdings aufgrund der Reformen nicht im Punkt A, sondern bei D enden. Da die Wirtschaft flexibler und die Angebotsseite sensitiver bzw. wettbewerbsfähiger sind, wird bei gleicher Nachfrage ein höheres Wachstum erreicht (strukturelle Verbesserung der Leistungsbilanz).

Im Punkt D ist die Nachfragekurve zurück auf der Ausgangsposition, das Wachstum ist allerdings höher und die Inflation ist niedriger – der Erfolg der Strukturreformen ist ersichtlich. Voraussetzung dafür ist ein deutlicher Nachfrageschub, ausgelöst durch ansteigende Investitionsbereitschaft aufgrund globaler Konjunkturerholung und eine kurzfristig unterstützende Fiskalpolitik. Für Länder mit einer, gemessen am BIP, niedrigen Exportquote ist insbesondere die Stimulierung der Binnennachfrage entscheidend. Noch ist Spanien eher bei Punkt C angekommen, während Italien und Frankreich immer noch bei Punkt B verharren. Zwar sind Strukturreformen für Italien absolut notwendig, um das potenzielle BIP-Wachstum zu steigern, allerdings ist dazu ein Nachfrageschub unentbehrlich. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn Strukturreformen Investoren- bzw. Konsumentenvertrauen belasten und womöglich die Nachfrage in Abbildung 2 noch weiter nach links verschieben könnten.

Fazit: Die globale Konjunkturaufhellung bzw. die Erholung innerhalb der EU bleiben wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung von Strukturreformen (Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit durch Senkung der Lohnkosten). Dies gilt insbesondere in jenen Ländern, in denen die Binnennachfrage wegen hoher Arbeitslosenquoten noch auf mittlere Sicht schwach bleibt. Entsprechend reicht es im Fall Italiens nicht aus, immer wieder nur auf Strukturreformen zu verweisen, wenn es darum geht, den seit Jahrzehnten anhaltenden negativen Wachstumstrend zu unterbinden. Nur bei anziehender Nachfrage können Strukturreformen letztendlich zu höherem Wirtschaftswachstum führen. Deshalb benötigt das Land Investorenvertrauen und eine kurzfristig weniger restriktive Fiskalpolitik, damit Strukturreformen die Wachstumsblockade in Italien lösen können. Vor allem in Bezug auf die geopolitischen Entwicklungen und ihren negativen Einfluss auf die Wirtschaft der Euro-Zone sowie die anhaltende Gefahr einer Deflation ist ein pragmatischer Reformansatz in Kombination mit Nachfrageimpulsen notwendig und immer wichtiger. Dies gilt auch für Spanien. Denn auch wenn das Land erste überschaubare Erfolge seiner Reformen verzeichnen kann, wird das volle Wachstumspotenzial nur durch eine Wiederbelebung der Nachfrage zu realisieren sein.


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