Interview mit Finanzbloggerin Lisa Osada von Aktiengram

Kannst du uns etwas über deinen Werdegang in der Finanzwelt erzählen?

Mein Einstieg in die Welt der Börse war ein glücklicher Zufall. Mit 19 Jahren begann ich meine Berufsausbildung bei einem börsennotierten Unternehmen. Dort hatte ich gleich im ersten Jahr die Möglichkeit, am Mitarbeiteraktienprogramm teilzunehmen. Damals wusste ich kaum, was eine Aktie überhaupt ist, aber das Angebot klang für mich attraktiv: Der Kaufpreis lag deutlich unter dem aktuellen Börsenkurs, den ich kurzerhand mit Hilfe von Google herausgefunden hatte. Ohne lange nachzudenken, entschied ich mich, ein Depot zu eröffnen und von meinem Ausbildungsgehalt die ersten Aktien zu kaufen. Kurze Zeit später landete auch schon die erste Dividende – ganze 6 Euro – auf meinem Konto. Dieser Moment weckte meine Neugier. Ich wollte mehr wissen und begann, mich intensiver mit dem Thema Börse zu beschäftigen. Auf diesem Weg lief keineswegs alles glatt: Ich habe selbst viele klassische Anfängerfehler gemacht, aber gerade daraus letztlich auch viel gelernt. Heute bin ich zum einen als Autorin und Finanzbloggerin unter dem Namen Aktiengram aktiv und zum anderen arbeite ich auch bei dem Hamburger Fintech Parqet im Bereich des Portfolio Tracking.

Welchen Tipp würdest du deinem jüngeren Ich in Sachen Finanzplanung geben?

Rückblickend hätte ich gerne viel früher den Mut gehabt, mich mit anderen über das Thema Geldanlage auszutauschen. Lange Zeit habe ich mich allein und „im stillen Kämmerlein“ mit dem Thema Investieren beschäftigt – und dabei viele der typischen Anfängerfehler gemacht. Hätte ich von Anfang an den Austausch mit anderen gesucht, wäre mir sicherlich einiges erspart geblieben. Genau deshalb ist es mir heute ein Anliegen, mit meinem Kanal und Blog eine Plattform zu schaffen, die den Dialog in der Community fördert. Ich möchte dazu ermutigen, offen über Erfahrungen und Fragen zu sprechen, um gemeinsam zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Denn der Austausch mit anderen kann nicht nur Fehler vermeiden, sondern auch neue, wertvolle Perspektiven schaffen.

Wie wichtig ist es, dass Frauen sich gegenseitig im Bereich der Finanzbildung und -beratung unterstützen, und wie kann diese Unterstützung deiner Ansicht nach praktisch aussehen?

Der Austausch und die gegenseitige Unterstützung ist in meinen Augen enorm wichtig. Oft fehlen gerade Frauen die Vorbilder oder Gesprächspartnerinnen, um Hemmschwellen abzubauen und offen über Geldanlagen zu sprechen. Hier kann gegenseitige Unterstützung viel bewirken. In der Praxis bedeutet das vor allem, Räume für den Dialog zu schaffen – sei es im Freundeskreis, in der Familie oder in speziell organisierten Formaten wie Börsenstammtischen oder Online-Communities. Ein einfaches Beispiel: Warum nicht beim nächsten Treffen mit den Freundinnen das Thema Geldanlage einmal ganz locker ansprechen? Es ist erstaunlich, wie viele bereits Geld investieren oder sich dafür interessieren, ohne dass es jemals ein Thema im privaten Umfeld war. Dabei gehört der kluge Umgang mit den eigenen Finanzen ebenso zum Leben wie die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen, die persönliche Weiterentwicklung oder die eigene Gesundheit. 

Eine weitere Möglichkeit ist das gemeinsame Lernen. Finanzbücher, Podcasts oder andere Ressourcen können gemeinsam genutzt und diskutiert werden, um das eigene Wissen zu erweitern und sich gegenseitig zu motivieren. Denn: Wer sich austauscht, profitiert nicht nur von den Erfahrungen anderer, sondern kann auch sein eigenes Know-how einbringen und so Teil eines Netzwerks werden, das langfristig trägt. Solche Initiativen stärken nicht nur die finanzielle Unabhängigkeit, sondern auch das Selbstvertrauen im Umgang mit dem eigenen Geld.

Wie reagierst du, wenn die Kurse fallen?

Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, bei fallenden Kursen Ruhe zu bewahren – eine Fähigkeit, die ich allerdings erst durch eigene Crash- oder Krisenerfahrungen mit meinem selbst investierten Geld erworben habe. In solchen Situationen versuche ich, weniger auf den fallenden Depotwert zu schauen und mehr auf die Chancen, die sich möglicherweise bieten: Welche soliden Unternehmen gibt es jetzt zu attraktiven Preisen? Phasen starker Kursrückgänge sehe ich heute eher als Möglichkeit, bestehende Einzelpositionen oder auch ETFs aufzustocken oder neue, vielversprechende Unternehmen ins Depot aufzunehmen. Dabei beruhigt mich vor allem der Gedanke, dass sich an meinem jeweiligen ETF- oder Unternehmensanteil – also der Anzahl meiner Anteile – nichts verändert. Nur der Kurs auf dem Papier schwankt gerne vorübergehend einmal stark. Dieser Blickwinkel hilft mir, langfristig zu denken und auch in schwierigen Börsenphasen dabei zu bleiben. Regelmäßige Dividenden geben mir zusätzlich eine gewisse Stabilität in turbulenten Zeiten. Sie machen für mich greifbar, dass viele Unternehmen auch in schwierigen Phasen profitabel arbeiten und ihre Aktionäre am Erfolg beteiligen können. Zudem können Ausschüttungen reinvestiert werden, was dann bei niedrigen Kursen zu „mehr“ neuen ETF- oder Unternehmensanteilen führt.

Willst du uns verraten, wie du selbst investiert bist?

Die größte Position in meinem Depot ist mittlerweile ein weltweit gestreuter ETF, der mir quartalsweise Dividenden ausschüttet. Daneben investiere ich in Einzelaktien mit einem Fokus auf Dividenden. Ich verfolge eine langfristige Anlagestrategie und versuche, Unternehmen zu finden, von denen ich glaube, dass ihr Geschäftsmodell auch in einigen Jahrzehnten noch intakt ist. Gelegentlich gibt es auch einmal Ausnahmen, bei denen ich über die Größe der Position, also den prozentualen Anteil des Wertpapiers an meinem Depot, das Risiko begrenze. So erreiche ich eine für mich persönlich passende Mischung aus Stabilität und Wachstumspotenzial.