Einfacher Zugang, aber Investmentrisiko bleibt

Einfacher Zugang, aber Investmentrisiko bleibt

Komfortabler Zugang

Zertifikate haben Privatanlegern in Deutschland eine neue Welt eröffnet. Mit dem breiten Produktangebot der Finanzindustrie wurden zahlreiche Asset-Klassen erschlossen, die zuvor nur schwer investierbar waren. Dazu zählen beispielsweise Aktienindizes aus exotischen Ländern, Rohstoffe wie Öl, Gas, Kupfer oder Weizen, zahlreiche Währungen oder viele Zins- und Anleihenprodukte.

Und nicht nur der Zugang wurde geschaffen, sondern auch der Fokus erweitert, in welcher Form ein Investment durchgeführt werden kann. Im traditionellen Wertpapiergeschäft mit Aktien, Anleihen oder Fonds hält der Anleger eine einfache Long-Position. Bei Zertifikaten können hingegen im Rahmen der Strukturierung verschiedene Asset-Klassen (Aktien, Optionen, Futures und Anleihen) in einem Wertpapier miteinander kombiniert werden, um damit unterschiedliche Zahlungsprofile zu generieren. In Abhängigkeit von den Erwartungen zur künftigen Kursentwicklung wird es dadurch möglich, von verschiedenen Szenarien zu profitieren, also auch von stark oder leicht fallenden Kursen, von schwankenden oder von stagnierenden Kursen. Auch ein Schutz gegen drohende Verluste ist über Kapitalschutzprodukte möglich, während Hebelprodukte die überproportionale Partizipation an der Kursentwicklung ermöglichen.

Teilweise sind solche Strukturen auch von Privatanlegern durch den Kauf der Einzelkomponenten nachbildbar. Ein Discountzertifikat entspricht beispielsweise technisch einem Kauf der Aktie und einem gleichzeitigen Verkauf einer Call-Option auf den Basiswert am Terminmarkt. Um die Struktur zu erzeugen, muss der Anleger damit zwei Investitionen tätigen und zudem über einen entsprechenden Zugang zum Terminmarkt verfügen. Auch die Stückelung der verfügbaren Wertpapiere kann je nach anvisierten Anlagevolumen ein Problem darstellen. Mit Zertifikaten nimmt die Finanzindustrie dem Anleger dieses Problem ab. Die Struktur wird in einem einzigen Wertpapier abgebildet, das zudem in der Regel in kleinteiligen Stückelungen handelbar ist. Neben einem Kauf über die Börsen, an denen Zertifikate gehandelt werden können (insb. Frankfurt und Stuttgart), ist auch ein direkter Handel mit den Emittenten möglich, die Banken stellen laufend Geld- und Briefkurse für ihre Produkte.

Alles hat seinen Preis

Zertifikate stellen damit eine komfortable Investitionsmöglichkeit für viele Bereiche dar, diese Leistung der Banken hat naturgemäß ihren Preis. Kauft man die Wertpapiere vor der Handelsaufnahme an der Börse, also noch in der Platzierungsphase, wird oftmals eine Provision für den Vertriebspartner veranschlagt (in der Regel zwischen 1 und 3 Prozent des Nennwerts), das Agio. Dieses wird offen ausgewiesen. Nach dem Handelsstart muss der Anleger die Differenz zwischen den Geld- und Briefkursen, den sogenannten Spread, einkalkulieren. Dieser stellt im Prinzip eine Gebühr an den Emittenten dar, der im Gegenzug einen laufenden An- und Verkauf sicherstellt und sich selbst absichert. Der Spread ist nicht konstant, in volatilen Marktphasen kann die Spanne wegen des erhöhten Risikos für den Emittenten größer werden. Hinzu kommen die Handelsgebühren der ausführenden Bank und gegebenenfalls Depotgebühren. Ein weiterer großer Posten ist die Emittentenmarge, die im Wesentlichen die Entlohnung des Emittenten für die Strukturierungsleistung, die Absicherungskosten und die Eigenkapitalbindung enthält. Diese Komponente kann etwa bei Indexzertifikaten in Form einer Verwaltungsgebühr ersichtlich sein, für komplexere Strukturen ist sie in der Regel aber weder ausgewiesen noch leicht berechenbar. Nach einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie („Emittentenmargen bei Zertifikaten“) aus dem November 2013, die vom Deutschen Derivate Verband in Auftrag gegeben wurde, lag die Emittentenmarge im Beobachtungszeitraum bei durchschnittlich 0,36 Prozent des Nennbetrags pro Jahr. Am niedrigsten ist sie bei Strukturierten Anleihen (0,14 Prozent p.a.) und Bonitätsanleihen (0,37 Prozent p.a.) ausgefallen, am höchsten bei Optionsscheinen (1,96 Prozent p.a.) und Outperformance-/Sprint-Zertifikaten (0,93 Prozent p.a.).

Gebühren einzelner Produkte im Überblick

Erwartete Emittentenmarge p.a. differenziert nach Produktkategorie (repräsentative Stichprobe)

Allgemeine und spezielle Investmentrisiken

Der Anleger trägt nicht nur die Kosten der Strukturierung, sondern auch die Risiken, die mit einem Investment in risikobehaftete Assets verbunden sind. Dazu zählt grundsätzlich die Möglichkeit, dass die erwartete Kursentwicklung nicht eintritt und das Engagement daher Verluste einbringt. Dabei ist je nach Zertifikat auch ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals möglich. Im Gegensatz zu einem Engagement am Terminmarkt (Optionen und Futures) kann der Verlust den eingesetzten Betrag aber nicht übersteigen. Je komplexer die erworbene Struktur ist, desto vielfältiger sind unter Umständen die Einflussfaktoren auf die Kursentwicklung. Daher ist eine intensive Beschäftigung mit dem Zertifikat wichtig, um alle Determinanten zu verstehen. Selbstentscheider tragen das Risiko, dass sie die Struktur nicht vollständig verstanden haben. Zieht man einen Finanzberater hinzu, können zusätzliche Gebühren anfallen. Schließlich ist der Kauf von Zertifikaten auch mit dem sogenannten Emittentenrisiko verbunden. Formell handelt es sich bei solchen Wertpapieren nämlich um Schuldverschreibungen der Banken, die Rückzahlung ist daher an die Zahlungsfähigkeit des Emittenten gebunden. Kommt dieser in Zahlungsschwierigkeiten, kann der Anleger ebenfalls einen teilweisen oder vollständigen Zahlungsausfall erleiden.

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