Die Kirchensteuer sorgt bei vielen Steuerzahlern für Unsicherheit: Wer ist verpflichtet, sie zu zahlen, und wie lässt sich die Abgabe möglicherweise vermeiden? Dieser Ratgeber gibt einen Überblick über die gesetzlichen Grundlagen, erklärt, unter welchen Umständen eine Befreiung möglich ist, und zeigt, welche finanziellen und rechtlichen Folgen ein Austritt aus der Kirche mit sich bringt. Das Wichtigste in Kürze sowie unsere redaktionellen Empfehlungen gibt es wie immer direkt zu Beginn!
Die Kirchensteuer ist eine gesetzlich geregelte Abgabe, die bestimmte Religionsgemeinschaften zur Finanzierung ihrer Aufgaben erheben. In diesem Kapitel erfahren Sie die grundlegenden Bestimmungen zur Kirchensteuer in Deutschland.
Die Kirchensteuer ist eine Abgabe, die von Mitgliedern bestimmter Religionsgemeinschaften in Deutschland erhoben wird. Sie dient der Finanzierung der kirchlichen Aufgaben und Einrichtungen, wie beispielsweise der Seelsorge, dem Erhalt von Kirchengebäuden und der Unterstützung sozialer Projekte. Die Höhe der Kirchensteuer beträgt je nach Bundesland 8 oder 9 Prozent der Einkommen- oder Lohnsteuer und wird direkt vom Finanzamt eingezogen. Sie ist in den meisten Bundesländern Pflicht für Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirche sowie einiger kleinerer Religionsgemeinschaften.
Die Kirchensteuer in Deutschland hat eine solide rechtliche Basis. Das Grundgesetz und die Weimarer Reichsverfassung bilden die Grundlage für das Recht der Religionsgemeinschaften, Steuern zu erheben. Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 6 der Weimarer Reichsverfassung gibt Religionsgesellschaften, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, das Recht, Steuern zu erheben.
Ergänzend dazu regeln die einzelnen Bundesländer in speziellen Kirchensteuergesetzen die konkreten Umsetzungsfragen. Diese Gesetze dienen als Rahmen, den die Kirchen durch ihre eigenen kirchensteuerlichen Gesetze, wie Kirchensteuerordnungen und Kirchensteuerbeschlüsse, ausfüllen. Zusätzlich gibt es vertragliche Absprachen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften, die sogenannten Konkordate oder Staatskirchenverträge, die ebenfalls Regelungen zum Kirchensteuerwesen enthalten.
Die Berechnung der Kirchensteuer erfolgt auf Basis der Einkommensteuer. Sie wird als Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer erhoben. Der Kirchensteuersatz beträgt in den meisten Bundesländern 9 Prozent der Einkommensteuer, in Bayern und Baden-Württemberg sind es 8 Prozent.
Bei der Berechnung werden verschiedene Faktoren berücksichtigt. So können beispielsweise Kinderfreibeträge die Höhe der Kirchensteuer reduzieren. Für Ehepaare mit unterschiedlichen Konfessionen gibt es spezielle Regelungen. In den meisten Fällen wird die Kirchensteuer für Ehepaare aus dem Einkommen beider Partner berechnet und entweder hälftig auf die jeweiligen Kirchen aufgeteilt oder, wie in Bayern, anteilig nach dem Einkommen des jeweiligen Mitglieds verteilt.
Es gibt auch eine Obergrenze für die Kirchensteuer, die sogenannte Kappungsgrenze. In den meisten Bundesländern und Kirchen ist eine Kappung der Kirchensteuer auf 2,75 bis 4 Prozent des zu versteuernden Einkommens möglich. Dies soll eine übermäßige Belastung von Gutverdienern verhindern.
In Deutschland sind verschiedene Religionsgemeinschaften berechtigt, Kirchensteuer zu erheben. Zu den wichtigsten gehören die evangelische und die katholische Kirche. Aber auch andere Religionsgemeinschaften, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, haben dieses Recht.
Zu den Religionsgemeinschaften, die Kirchensteuer erheben, zählen:
Beachten Sie, dass nicht alle Religionsgemeinschaften in Deutschland Kirchensteuer erheben. Muslimische Religionsgemeinschaften beispielsweise sind in Deutschland keine anerkannten Körperschaften des öffentlichen Rechts und dürfen daher keine Kirchensteuer verlangen. Auch einige andere Religionsgemeinschaften, wie orthodoxe Kirchen und evangelisch-freikirchliche Gemeinden, verzichten freiwillig auf die Erhebung von Kirchensteuer.
Die Einnahmen aus der Kirchensteuer stehen dem Bistum oder der Landeskirche zu, in dem der jeweilige Kirchensteuerzahler seinen Wohnsitz hat. Die Verwendung dieser Mittel wird in der Regel von speziellen Gremien wie dem Kirchensteuerrat oder Diözesansteuerausschuss überwacht, um eine transparente und demokratische Entscheidungsfindung zu gewährleisten.
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Die Verpflichtung zur Zahlung der Kirchensteuer betrifft nicht alle, sondern hängt von der Mitgliedschaft in bestimmten Religionsgemeinschaften ab. Wer genau zur Zahlung verpflichtet ist, welche Ausnahmen oder Sonderfälle es gibt und welche Kriterien für Selbstständige gelten, erfahren Sie im Folgenden.
Die Kirchensteuerpflicht in Deutschland betrifft in erster Linie Mitglieder der steuerberechtigten Religionsgemeinschaften. Dazu gehören hauptsächlich die Mitglieder der evangelischen und katholischen Kirche sowie einiger jüdischer Gemeinden. Die Mitgliedschaft in einer Kirche wird in der Regel durch die Taufe begründet.
Entscheidend für die Kirchensteuerpflicht sind drei Kriterien: die Kirchenmitgliedschaft, der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland und die steuerliche Leistungsfähigkeit. Letztere wird daran gemessen, ob eine Person zur Zahlung von Einkommensteuer oder Lohnsteuer verpflichtet ist.
Wichtig: Nicht alle Kirchenmitglieder zahlen automatisch Kirchensteuer. Tatsächlich entrichtet nur etwa die Hälfte der Katholiken Kirchensteuer. Rund 37 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder tragen etwa 97 Prozent des gesamten Kirchensteueraufkommens.
Es gibt einige Gruppen von Kirchenmitgliedern, die trotz ihrer Zugehörigkeit keine Kirchensteuer zahlen müssen. Dazu
gehören:
1. Geringverdiener: Personen, deren Einkommen unter dem steuerlichen Grundfreibetrag liegt, sind von der Kirchensteuer befreit.
2. Arbeitslose und Empfänger von Sozialleistungen: Da sie in der Regel keine Einkommensteuer zahlen, sind sie auch von der Kirchensteuer befreit. Dies gilt sowohl für Empfänger von Arbeitslosengeld I als auch für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Bürgergeld).
3. Rentner: Sie müssen nur dann Kirchensteuer zahlen, wenn sie einkommensteuerpflichtig sind. Dies ist der Fall, wenn ihre Rente oder Pension eine bestimmte Höhe übersteigt oder sie zusätzliche Einkünfte haben.
4. Kinder, Schüler und Studierende: Sofern sie keine eigenen steuerpflichtigen Einkünfte haben, sind sie von der Kirchensteuer befreit.
5. Ordensleute: Sie sind in der Regel ebenfalls von der Kirchensteuer befreit.
Ein Sonderfall sind Ausländer, die einer in Deutschland steuerberechtigten Kirche angehören. Sie sind kirchensteuerpflichtig, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, unabhängig davon, ob ihre Kirche im Heimatland Kirchensteuer erhebt.
Für Arbeitnehmer wird die Kirchensteuer in der Regel direkt vom Arbeitgeber einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Dies geschieht auf Basis der elektronischen Lohnsteuerkarte (ELStAM), auf der das entsprechende Merkmal für die Kirchenzugehörigkeit vermerkt ist.
Selbstständige zahlen ihre Kirchensteuer im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung. Die Höhe der Kirchensteuer richtet sich nach der zu zahlenden Einkommensteuer und beträgt je nach Bundesland 8 oder 9 Prozent der Einkommensteuer.
Auch auf Kapitalerträge fällt Kirchensteuer an. Seit 2015 führen Banken die Kirchensteuer auf Kapitalerträge automatisch ab, es sei denn, der Steuerpflichtige hat dem Datenabruf widersprochen.
Beamte sind ebenfalls kirchensteuerpflichtig, wenn sie Mitglied einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sind.
Dies gilt auch für Pfarrerinnen und Pfarrer.
Tipp: Die Kirchensteuer ist als Sonderausgabe steuerlich absetzbar. Dies bedeutet, dass Steuerpflichtige einen Teil der gezahlten Kirchensteuer über ihre Einkommensteuererklärung zurückerhalten können.
Es gibt verschiedene Wege, um die Kirchensteuer zu reduzieren oder teilweise zurückzuerhalten.
Eine wichtige Option zur Begrenzung der Kirchensteuer ist die sogenannte Kappungsgrenze. Diese Regelung soll verhindern, dass Gutverdiener unverhältnismäßig hohe Kirchensteuern zahlen müssen. Je nach Bundesland beträgt der Kappungssatz zwischen 2,75 und 4 Prozent des zu versteuernden Einkommens. Das bedeutet, dass die Kirchensteuer nie mehr als diesen Prozentsatz des Einkommens ausmachen darf.
Die Anwendung der Kappungsgrenze erfolgt in den meisten Bundesländern automatisch durch das Finanzamt. In einigen Ländern wie Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland müssen Steuerzahler die Kappung jedoch selbst beantragen. Dafür reicht in der Regel ein formloses Schreiben an die zuständige Diözese oder Landeskirche, dem eine Kopie des letzten Einkommensteuerbescheids beigefügt wird.
Wichtig: Bayern hat als einziges Bundesland keine gesetzliche Kappungsgrenze. Hier können Kirchen jedoch aus Billigkeitsgründen einen teilweisen Erlass gewähren. Wenn Sie steuerpflichtig in Bayern sind, sollten Sie sich direkt an Ihre Kirchengemeinde wenden, um mögliche Erleichterungen zu erfragen.
Eine weitere Möglichkeit, die Steuerlast zu reduzieren, bietet der Sonderausgabenabzug. Die gezahlte Kirchensteuer kann in der Einkommensteuererklärung als Sonderausgabe geltend gemacht werden. Dies führt zu einer Verringerung des zu versteuernden Einkommens und somit zu einer geringeren Einkommensteuerlast.
Um den Sonderausgabenabzug zu nutzen, müssen Steuerpflichtige die gezahlte Kirchensteuer in der Anlage Sonderausgaben ihrer Steuererklärung angeben. Dabei sollten Sie beachten, dass auch erstattete Kirchensteuerbeträge dort aufgeführt werden müssen. Der Sonderausgabenabzug gilt für die reguläre Kirchensteuer sowie für das in einigen Regionen erhobene Kirchgeld.
Wichtig: Die Kirchensteuer ist als Zuschlag auf die Abgeltungssteuer bei Kapitalerträgen nicht als Sonderausgabe abzugsfähig. In diesem Fall wird die Abgeltungssteuer um 25 Prozent der auf die Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuer gemindert.
Seit 2009 werden Zinsen und Dividenden pauschal mit 25 Prozent Abgeltungssteuer besteuert. Auch auf diese Kapitalerträge fällt Kirchensteuer an. Seit 2015 gilt ein automatisierter Datenabruf des Religionsstatus durch die Banken. Das bedeutet, dass die Kirchensteuer auf Kapitalerträge in der Regel automatisch von den Kreditinstituten einbehalten und abgeführt wird.
Steuerpflichtige haben jedoch die Möglichkeit, diesem automatischen Datenabruf zu widersprechen. In diesem Fall müssen sie die Anlage KAP in ihrer Steuererklärung ausfüllen und ihre Kapitalerträge dort angeben. Das Wohnsitzfinanzamt veranlagt dann die Kirchensteuer auf diese Erträge.
Wichtig: Die Kirchensteuer auf Kapitalerträge ist nicht als Sonderausgabe abzugsfähig. Stattdessen wird die Abgeltungssteuer um 25 Prozent der auf die Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuer gemindert. Dies führt zu einer indirekten Entlastung.
Neben diesen Möglichkeiten gibt es weitere Situationen, in denen eine Reduzierung der Kirchensteuer möglich ist. Bei außerordentlichen Einkünften, wie beispielsweise einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ist ein Teilerlass von 50 Prozent der Kirchensteuer übliche Praxis. Obwohl die Abfindung nach der Fünftelregelung ermäßigt besteuert wird, fällt darauf Kirchensteuer an. Kirchenmitglieder können in solchen Fällen einen Antrag auf teilweisen Erlass beim zuständigen Kirchensteueramt stellen.
Unsere Empfehlung: Bei Fragen zur Kirchensteuer und möglichen Reduzierungen können Sie sich direkt an das zuständige Finanzamt oder die Kirchengemeinde wenden. Diese können individuelle Auskünfte erteilen und bei der Nutzung der verschiedenen Möglichkeiten zur Steueroptimierung helfen. Durch eine sorgfältige Planung und Nutzung der verfügbaren Optionen können Kirchenmitglieder ihre Steuerlast effektiv reduzieren und gleichzeitig weiterhin einen Beitrag zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben leisten.
Um keine Kirchensteuer mehr zahlen zu müssen, ist der Austritt aus der Kirche eine dauerhafte Lösung. Beachten Sie jedoch, dass im Jahr des Austritts die Kirchensteuer noch einmal fällig wird. Sie können diese Steuer in Ihrer Steuererklärung als Sonderausgaben geltend machen.
Die Pflicht zur Zahlung der Kirchensteuer besteht, wenn Sie Mitglied einer staatlich anerkannten Kirche sind und Ihren Hauptwohnsitz in Deutschland hben. Die katholische und die evangelische Kirche sind die größten dieser staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften in Deutschland.
Nach Ihrem Austritt aus der Kirche benachrichtigt die Meldebehörde das Finanzamt, welches daraufhin Ihre Lohnsteuerabzugsmerkmale anpasst. Für die Zeit vor Ihrem Austritt müssen Sie jedoch noch Kirchensteuer nachzahlen, da diese bis dahin noch nicht angepasst waren.
Der Kirchenaustritt ist bisher die einzige Methode, um die Zahlung der Kirchensteuer zu verweigern. Laut der aktuellen Regelung der deutschen Bischofskonferenz führt ein Austritt allerdings zum Ausschluss von den Sakramenten, was einer Art automatischen Exkommunikation gleichkommt.
Prüfen Sie Ihre Kirchenzugehörigkeit und die damit verbundene Steuerpflicht, um Klarheit über Ihre finanzielle Situation zu erhalten.
Berechnen Sie die voraussichtliche Höhe Ihrer Kirchensteuer und prüfen Sie, welche Auswirkungen das auf Ihre Einkommensteuer hat.
Informieren Sie sich über mögliche Ausnahmen und Sonderfälle, die zu einer Verringerung der Kirchensteuer führen könnten.
Wenn Sie weniger Kirchensteuer zahlen möchten, nutzen Sie alle Möglichkeiten zur Reduzierung der Kirchensteuer, etwa durch die Geltendmachung von Sonderausgaben.
Sollten Sie einen Kirchenaustritt in Erwägung ziehen, informieren Sie sich vorab über den Ablauf und die Konsequenzen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.
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