er BMF-Steuerhammer – oder das Gesetz zur Anrechenbarkeit von Verlusten aus Termingeschäften – bringt tief greifende Veränderungen mit sich. Es ist nicht nur ein massiver Eingriff in das Geschäftsmodell von Finanzdienstleistern, sondern trifft auch Kleinanleger hart. Am 01. Januar 2021 tritt das Gesetz in Kraft. Wir zeigen Ihnen, was das für Sie als Anleger bedeutet und wie Sie darauf reagieren können. Zu Beginn geben wir Ihnen die besten Tipps und beantworten die wichtigsten Fragen!
Der Bundestag und der Bundesrat haben kurz vor Weihnachten 2019 das „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ verabschiedet. Am 21. Dezember 2019 wurde es verkündet, am 30. Dezember erschien es dann im Bundesgesetzblatt. Schon am 01. Januar 2020 ist es teilweise in Kraft getreten und ab dem 01. Januar 2021 greift es vollständig. Doch was bedeutet das eigentlich?
Verändert wurde mit dieser neuen Regelung das Einkommenssteuergesetz, genauer gesagt, die Möglichkeit, bei Termingeschäften die Verluste mit den Gewinnen zu verrechnen. Das heißt, dass Verluste aus Termingeschäften nur noch mit Gewinnen aus ebendiesen verrechnet können. Anrechenbarkeit von Verlusten wird außerdem auf 10.000 Euro gedeckelt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) sagt allerdings, dass nicht verrechnete Verluste auf das Folgejahr fortgetragen werden können. Sie werden dann, in dem Fall, dass nach der unterjährigen Verlustrechnung ein Gewinn bleibt, in der Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet.
Der Begriff „Totalverlust“ wird bei diesem Gesetz auch weiter gefasst als bisher, das betrifft den Handel mit Derivaten. Für Banken entfällt bei der neuen Regelung die Pflicht, bei der Termingeschäfte Besteuerung „Verrechnungstöpfe“ zu bilden und daraufhin die anfallende Steuerlast automatisch als Kapitalertragssteuer abzuführen. Die Institute ziehen die mögliche fällige Kapitalertragssteuer nun sofort ab. Sie als Anleger müssen sich, wenn Sie Verluste erlitten haben, mögliche Erstattungen über die Steuererklärung selbst zurückholen.
Als Termingeschäft wird ein Handel an der Börse bezeichnet, wenn die Abnahme der Devisen, Wertpapiere oder Rohstoffe zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet, jedoch zum am Abschlusstag festgelegten Kurs erfolgt. Kurz gesagt: Ein Handel zu einem bestimmten Zeitpunkt, der in der Zukunft erst passieren wird. Diese Art von Handel ist in Deutschland erst seit 1970 wieder erlaubt und erfolgt seither in Form von Optionen.
Setzen Finanzdienstleister das Gesetz konsequent um, kann der Wertpapierhandel in einem steuerlichen Fiasko enden. Haben Sie als Anleger vor der Versteuerung einen Gewinn erwirtschaftet, können Sie nach den Steuern einen Verlust erleiden. Grund dafür ist die Deckelung der Absetzbarkeit. Sogar wenn Sie Verlust gemacht haben, können Steuern fällig werden.
Das kann durchaus zu Liquiditätsengpässen führen. Trader bezahlen direkt Steuern auf ihre Gewinne, die Verluste können sie sich aber erst um Folgejahr erstatten lassen. Das könnte zum Problem für Online Broker und Zertifikatsanbieter werden, da gerade die aktive Kundschaft ihre Zielgruppe ist.
Um das neue Regelwerk zu verdeutlichen, erklären wir es anhand von zwei Beispielen:
Nach der alten Regelung müsste unser erfolgreicher Kleinspekulant nun 20.000 Euro versteuern, da dies die Differenz zwischen Gewinn und Verlust ist. Aufgrund des neuen Regelwerks muss er aber das Viereinhalbfache versteuern, also 90.000 Euro. Grund dafür ist, dass nur 10.000 Euro absetzbar sind. Die Steuer auf die Gewinne erfolgreicher Trades wird automatisch und sofort abgezogen. Die Erstattungen auf die Verluste muss sich der Anleger vom Finanzamt zurückholen.
Nach alter Regelung müsste unser weniger erfolgreicher Kleinspekulant keine Steuern zahlen. Dies ändert sich mit dem BMF-Steuerhammer. Nun muss er zusätzlich zu den realen Verlusten von 10.000 Euro noch Steuern auf die 40.000 Euro Gewinn bezahlen. Die Summe, mit der man Verluste mit Gewinnen verrechnen kann, ist dagegen auf 10.000 Euro begrenzt. Das bedeutet im Klartext: Obwohl der Trader Miese gemacht hat, muss er nach Abzug der Verluste trotzdem auf Steuern auf die 30.000 Euro Gewinne bezahlen, die er nicht mehr hat.
Das neue Regelwerk betrifft durchaus auch Anleger und Vermögensverwalter von Privatbanken. Sie legen ihr Geld über verschiedene Anlageklassen wie Aktien, Beteiligungen, Crowdinvesting oder Zertifikate verteilt an. Ein Totalverlust ist hier möglich, zum Beispiel weil eine Projektgesellschaft während einer Schwarmfinanzierung pleite geht. Der Gesetzestext definiert Totalverluste als Verluste aus Kapitalvermögen, bei denen die Kapitalforderung nur teilweise oder gar nicht mehr erfüllt werden kann. Für Anleger sind Verluste auch in diesem Fall nur noch bis zu 10.000 Euro anrechenbar. Außerdem ist die Nachsteuerrendite geringer, da die Gewinne in unbegrenzter Höhe sofort versteuert werden müssen, die Verluste aber nur begrenzt nutzbar sind.
Das neue Regelwerk betrifft auch sehr konservative Anleger und Vermögensverwalter. Sie sichern ihr Portfolio mit Optionsscheinen und Hebelprodukte ab. Das ist die übliche Strategie im Private Banking. Doch durch die zukünftige ungleiche Behandlung von Gewinnen und Verlusten wird sie kaum noch funktionieren. Denn hier gilt ebenfalls: Mögliche Gewinne werden voll versteuert, während Verluste nur noch begrenzt anrechenbar sind. Eine Verrechnung untereinander gibt es also nicht mehr. Bisher war es möglich, Derivatverluste steuermindernd einzusetzen, auch für andere Kapitalverluste. Mit der neuen Derivate-Steuer verfallen ebendiese eigentlich zur Depotsicherung eingesetzten Derivate. Gleichzeitig führt das eigentliche Depot zu einem steuerpflichtigen Kursgewinn. Die Steuer fällt auf jeden Fall an, da es keine Spekulationsfristen mehr gibt und die Kapitalertragssteuer auf mögliche Gewinne immer anfällt. Auch hier sinkt wegen der gedeckelten Verluste die Nachsteurrendite stark.
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In der Praxis haben Sie als Anleger die Möglichkeit Aktien, Anleihen, Derivate und Optionsscheine für einen Cent oder weniger Restwert zu kaufen. In diesem Fall handelt es sich nur um einen „Veräußerungsverlust“ und nicht um einen „Totalverlust“. Der Deckel greift dann nicht. Derivate-Emittenten haben daraus quasi einen „Service“ gemacht. Zu einem richtigen Totalverlust kam es nie, da quasi wertlose Papiere für den Bruchteil eines Cents zurückgekauft wurden. Als Anleger konnten Sie so ein Veräußerungsgeschäft machen und dies für die Verrechnung mit den Gewinnen steuerlich nutzen.
Wie bereits erwähnt, soll der Begriff „Totalverlust“ neu definiert werden. Per neuer Definition ist eine Kapitalforderung eben dann endgültig verloren, wenn sich durch die Gesamtumstände des Schuldverhältnisses zeigt, dass der Schuldner die Kapitalforderung gar nicht oder nur teilweise erfüllen wird. Die Regelung betrifft auch Veräußerungstatbestände, die nur zu Gestaltungszwecken abgewickelt werden – besonders dann, wenn der Schuldner eben komplett oder teilweise insolvent ist.
Der BMF-Steuerhammer, oder auch die „Derivate-Steuer“ genannt, wird Folgen für Finanzdienstunternehmen haben. Er ist ein Eingriff in ihr Geschäftsmodell und bringt Veränderungen mit sich.
Banken müssen damit rechnen, dass das Wertpapiergeschäft bei Kunden an Attraktivität verliert. Es hat zwar nur ein kleiner Teil der Kundschaft Verluste von über 10.000 Euro im Kalenderjahr, aber der Großteil der Provision-Einnahmen wird mit aktiven und vermögenden Kunden erwirtschaftet. Für Banken wird es schwieriger, ebendiesen dieselbe Nachsteuerrendite wie bisher in Aussicht zu stellen.
Banken, die auf Zertifikatsgeschäfte setzen, sind besonders betroffen. Der Gesetzestext besagt nicht eindeutig, ob klassische Anlagezertifikate wie strukturierte Anleihen, Bonus- und Discountzertifikate als „Termingeschäfte“ definiert werden. Das BMF sagte gegenüber Godmode Trader: „Der Begriff des Termingeschäfts umfasst sämtliche als Options- oder Festgeschäft ausgestaltete Finanzinstrumente sowie Kombinationen zwischen Options- und Festgeschäften (…) Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Termingeschäft in einem Wertpapier verbrieft ist, an einer amtlichen Börse oder außerbörslich abgeschlossen wird.“
Online-Broker und Fintech Broker leben von der Aktivität des Kunden. Doch genau die wird nun steuerlich unattraktiv gemacht, denn schon überschaubare Aktivitäten lassen einen aktiven Kleinanleger die steuerlich relevante Grenze von 10.000 Euro überschreiten. Hier kommt auch die bereits angesprochene Liquiditätsproblematik wieder auf, da der Trader die Gewinne sofort versteuern muss, die Verluste aber erst später erstattet werden.
Die Produkte von Zertifikate-Emittenten werden für Trader unattraktiver. Die Verluste aus dem Handel mit ihnen verlieren an steuerlicher Attraktivität. Zusätzlich wird Tradern aktives Handeln generell erschwert.
Die neue Regelung geht auch an Crowdinvestoren nicht spurlos vorbei, vor allem nicht an denen im Immobilienbereich. Beim Projektgeschäft müssen viele gut laufende Projekte den Totalverlust von wenigen schlecht laufenden ausgleichen. Da auch hier Gewinne voll versteuert werden müssen und die Verluste nicht voll anrechenbar, sinkt die Nachsteuerrendite stark.
Ob sehr aktives Handeln mit Derivate Aktien in Deutschland noch möglich ist, ohne sich in den finanziellen Ruin zu treiben, ist bei einer konsequenten Auslegung des Gesetzes fraglich.
Wenn Sie mit Termingeschäften handeln, sollten Sie sich überlegen, wie hoch Ihr jährlicher Verlust ist und wie weit das Gesetz Sie damit betrifft.
Beachten Sie, dass auch wenn Sie nur Verluste machen, Steuern fällig werden können.
Durch die direkte Versteuerung der Gewinne und der Erstattung von Verlusten im Folgejahr könnten Sie Liquiditätsengpässe erleiden.
Wenn mit dem BMF-Steuerhammer zu viele Kosten auf Sie zukommen, sollten Sie Ihr Tradingverhalten diesen anpassen.
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