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14.04.20 16:31 Uhr

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Die olympische Maxime der Marketingabteilungen zu Nachhaltigen Geldanlagen entpuppt sich bei Vielen in Wahrheit als "Dabeisein ist alles"

Seit Neuestem gibt es Deutschlands prominentestes Börsenbarometer auch als Nachhaltigkeits-Variante. Die Deutsche Börse preist ihren DAX-50 ESG sehr medienwirksam als den neuen Standard für deutsche ESG-Investments an. In Zeiten, wo jeder Finanzmarktakteur seinen Schnipsel Nachhaltigkeit in seiner DNA entdeckt, ist das nachvollziehbar. Jeder möchte entweder der Größte, Grünste, Beste, Innovativste, Erfahrenste oder was auch immer sein.

So tituliert sich z.B. der weltweit größte Vermögensverwalter aus den USA selbst als SRI-Pionier1, wobei sich Anleger schwertun, Nachhaltigkeitsprodukte dieses Anbieters zu finden, die älter als fünf Jahre sind. Kinderschuh-Status scheint da eher angebracht zu sein als Pionier-Status. Allerdings - und das verdient gewissen Applaus - hat sein Chef den Willen, mittels Sieben-Meilen-Stiefeln nun schnell groß zu werden und zu "shifting the trillions"2 maßgeblich beizutragen.

Zurück zur Indexwelt Nachhaltiger Geldanlagen. Hierzu sollte man folgendes Wissen:

Der DAX 50 ESG ist einer unter vielen Nachhaltigkeits-Indizes, von denen es bereits einige etablierte, wie den DJ Sustainability Index seit 20 Jahren gibt. Unser Nachbarland Österreich hat seit 2005 mit dem VÖNIX übrigens den Nachhaltigkeits-Index Österreichs als die Benchmark des dortigen Aktienmarkts ins Leben gerufen. In Deutschlands Nachhaltigkeits-Szene sind bislang der sehr selektive Natur-Aktien-Index (seit 1997) oder der Global Challenges Index der Börse Hannover (seit 2007) bekannt. Auch gibt es mit dem Öko-DAX (seit 2007) eine Zusammensetzung mit Titeln aus Erneuerbaren Energien. Diese DAX-Variante ist aber heute Scheintod. Der DAX 50 ESG hat meines Erachtens keine besonders hervorzuhebenden SRI-Eigenschaften.

Er ist zweifelsohne eine Art Maßstab für die größeren Konzerne der deutschen Wirtschaft (aber sicher nicht für DIE dt. Wirtschaft, da viele KMUs, thematische Geschäftsmodelle und spezielle Lösungsanbieter dort nicht aufgenommen werden können). Aber er ist gewiss kein "Standard" für ESG-Investments.

Zu einem Investmentstandard gehören Dinge wie Reporting, KPI-Einsatz, Investment-Prozesse, ESG-Researchqualität, Kontroversenmonitoring, Engagement, Stimmrechtausübung, Impact-Messung, also die gesamte Investment-Infrastruktur. Abgesehen davon grenzt ein DAX 50 ESG "Investmentstandard" viele weitere Ansätze Nachhaltiger Geldanlagen aus: https://fng-siegel.org/blog/fng-siegel_info_investmentstile.html

Die Dt. Börse hat aber immer noch die große Chance, Best-Practice zu schaffen:

Mit einem eigenen Börsensegment, wie damals der Neue Markt oder dem Qualitätssegment Prime Standard, könnten Zulassungsbedingungen wie beispielsweise spezifische Transparenz- und Berichtspflichten bzgl. Nachhaltigkeits-Kriterien gefordert werden, um Best-Practice-Standards zu etablieren. Darüber hinaus kann die Börse in ihrer Kernfunktion als Handelsplatz die Nachhaltigkeitsdaten der im Index enthaltenen Aktien transparent veröffentlichen.

Aktuelle Standards der Sustainable Finance-Debatte wie die EU-Regulierung zur Taxonomie für ökologisch-nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, die Empfehlungen der Task Force on Climate Related Disclosure zur Klimaberichterstattung oder die Sustainable Development Goals könnten in dem Index zukünftig aufgegriffen werden. Darüber hinaus auch eine Messung der Nachhaltigkeits-Wirkungen der Indextitel.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch den DAX 50 ESG das Thema verantwortliches Investieren weiter in die Breite getragen wird und die Strahlkraft des DAX Zeichen setzt und eine Art Referenz für große deutsche Unternehmen schafft. Das ist gut und wird auch zu mehr Produkten für Anleger führen. Ein Investmentstandard wird damit allerdings nicht geschaffen.

Grünkohl(e) des Monats

Es ist an der Zeit, eine Kolumne oder Rubrik mit der "goldenen Himbeere / silbernen Zitrone" oder sonstigem Schmähpreis ins Leben zu rufen. Ich plädiere für "GrünKohl(e) oder Greenwash des Monats".

Die Welt der Nachhaltigen Geldanlagen treibt sehr seltsame Marketing-Blüten: Kürzlich wurde ein sogenanntes "Zertifikat des Monats" auf einen ‘strengen’ Nachhaltigkeitsindex mit dem Namensbestandteil "Climate Impact" in einer Finanz-Publikation angepriesen. Also gleich zwei Begrifflichkeiten wie "Impact" und "streng", die suggerieren, dass es sich hier nun aber wirklich um richtige Nachhaltigkeit handeln müsse. Dumm nur, wenn man sich den Inhalt anschaut, und einen großen, bekannten, konventionellen Aktienindex findet, der zwar auf den Pionier der CO2-Datensammlung CDP und eine der großen ESG-Agenturen zurückgreift, aber viele Unternehmen auswählt, die lediglich den Klimawandel "managen" (weniger als 1/3 zeichnen sich durch Best-Practice aus, geschweige denn, dass es dabei um thematische Lösungsanbieter geht) und dann nur in die bessere Hälfte investiert. Im Produkt landen dann Titel wie Total, Royal Dutch Shell, Anglo American, BHP, Eni, Neste Oil, Lundin Petroleum, OMV, ThyssenKrupp, Endesa, Fortum, RWE. Im Zweifel tragen diese im Vergleich zu anderen Großkonzernen zu einer nötigen Transformation bei, sind aber beileibe keine Titel für ein zukunftsweisendes Impact-Investment!

Den diesem Zertifikat zugrundeliegenden Index als "strengen" Nachhaltigkeitsindex zu bezeichnen, klingt im Vergleich zu sehr selektiven Indizes wie den bereits genannten Natur-Aktien-Index oder dem Global Challenges-Index wie blanker Hohn. Die Anführungszeichen können hier nur ironisch gemeint sein. Und die Bezeichnung des Index selbst als "Climate Impact" ist Bauernfängerei!

Leider also ein frappierendes Beispiel von "Impact Washing".

Einem Fonds, ETF oder Zertifikat den Namen IMPACT zu geben, wenn es sich ausschließlich um auf dem Sekundärmarkt gehandelte Großkonzerne handelt, ist schlicht Irreführung und Wasser auf den Mühlen der SRI-Kritiker, die oft ausführen, dass Verbrauchertäuschung in Form von Wirkungsillusion betrieben wird. Noch dazu, wenn man nicht in der Lage ist, die suggerierte Wirkung zu messen und auszuweisen - ein Hauptcharakteristikum von Impact-Investments.

Impact Investing zielt primär darauf ab, in Unternehmen und Organisationen zu investieren, um konkrete, messbare, positive Auswirkungen im Nachhaltigkeits-Sinne zu erzielen. Die soziale bzw. ökologische Wirkung ist Teil der Investmentstrategie und wird gemessen. Damit unterscheidet sich Impact Investing sowohl von klassischen Nachhaltigen Geldanlagen, aber auch von Spenden bzw. Philanthropie, d.h. Impact Investing schließt die Lücke zwischen (meist) Rendite-Risiko-ausgewogenen Nachhaltigen Geldanlagen und Spenden . Der entscheidende Unterschied zur Nachhaltigen Geldanlage ist die explizite Festlegung von Wirkungszielen und deren Messung. Es geht vor allem um die Zurverfügungstellung von zusätzlichem Eigen- bzw. Fremdkapital, also meist private equity oder private debt.

Mogelpackung des Jahres

Ich rieb mir übrigens letztes Jahr die Augen, als ich las, dass der Indexanbieter STOXX eine Nachhaltigkeitsversion des bekannten Euro-Stoxx-50-Aktienindex entwickelt hat. Inhaltlich ist es nichts anderes, als dass die fünf absolut schlechtesten Titel gemessen an ihrem ESG-Score von fünf anderen, besseren Unternehmen der gleichen Branche ersetzt werden. Auf gut Deutsch: Der sowieso schon bei einigen umstrittene Best-in-Class Ansatz kommt noch nicht einmal für das gesamte Portfolio zur Anwendung, sondern lediglich für 10%. Und dann wird auch nicht in den wirklich besten Titel der gleichen Branche, sondern nur in den größten Titel investiert.

So etwas verdient beileibe nicht das Etikett "Nachhaltigkeits-Index". Da nämlich auch sonst kein weiteres Nachhaltigkeits-Element wie Engagement, Transparenz, Impact-Messung, Aufzeigen von Transition eines Geschäftsmodells o.ä. passiert, ist das eklatante Irreführung. Das hieße auf die Welt übertragen: Wenn lediglich die 10% der absolut "schlechtesten" Unternehmen, von ihren "weniger schlechten" Mitbewerbern übernommen würden, würden wir überspitzt gesagt im Nachhaltigkeits-Paradies leben. Das ist offensichtlicher Blödsinn. Es ist völlig legitim, solchen Konstrukten den Beinamen "ESG-orientiert" (ESG-tilted) zu geben, da rein rechnerisch logischer-weise ein besseres ESG-Profil im Vergleich zum Original-Index erzielt wird, aber bitte nicht "Nachhaltigkeits-Index".

Mehr über Roland Kölsch:

Roland Kölsch ist Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen, die insbesondere den SRI-Qualitätsstandard FNG-Siegel verantwortet. Er ist seit 2005 im Bereich Nachhaltige Geldanlagen aktiv: als Fondsmanager bei einem der großen SRI-Pioniere in Brüssel, Produktspezialist für Nachhaltige Geldanlagen einer Privatbank in der Schweiz und Leiter Asset Management der Alternative Bank Schweiz.

1 https://www.dasinvestment.com/nachhaltigkeit-bei-blackrock-pioniere-in-der-esg-analyse/

2 https://unepinquiry.org/blogs/shifting-the-trillions/

Bildquellen: QNG