Interview mit Ökonomin und Buchautorin Claudia Müller

Wieso ist es wichtig, dass sich Frauen mit dem Thema Finanzen beschäftigen?

Weil finanzielle Unabhängigkeit Freiheit bedeutet. Wer seine Finanzen im Griff hat, kann selbstbestimmt Entscheidungen treffen – ob es um Job, Partnerschaft oder Lebensziele geht. Und weil wir Frauen im Durchschnitt länger leben, öfter in Teilzeit arbeiten und häufiger Care-Arbeit übernehmen, ist es umso wichtiger, dass wir unsere finanzielle Basis aktiv gestalten.

Investieren Frauen anders als Männer?

Ja, tendenziell schon. Viele Studien zeigen, dass Frauen langfristiger, diversifizierter und weniger spekulativ investieren. Wir springen nicht bei jedem Trend hinterher, sondern bleiben disziplinierter – und das führt oft zu besseren Renditen. Kurz gesagt: Frauen handeln weniger, aber dafür überlegter und letztlich besser.

Viele Frauen schieben das Thema Finanzen vor sich her. Was ist Deiner Erfahrung nach der Grund dafür?

Es ist eine Mischung aus mangelnder Finanzbildung in der Schule, tradierten Rollenbildern („darum kümmert sich schon jemand anders“) und der Angst, einen Fehler zu machen. Viele Frauen glauben, man müsse ein Finanzprofi und reich sein, bevor man investiert. Dabei reicht es, mit kleinen Schritten und kleinen Beträgen zu starten.

Kannst Du uns etwas über Deinen Werdegang in der Finanzwelt erzählen?

Ich habe zunächst Volkswirtschaft studiert, später unter anderem bei der Bundesbank gearbeitet und mich dort viel mit Geldpolitik und Finanzthemen befasst. Außerdem habe ich einige Jahre in einem Single Family Office die nachhaltigen liquiden Anlagen gemanaged. Mir ist aber immer wieder aufgefallen: Frauen sind in diesen Zusammenhängen massiv unterrepräsentiert – als Expertinnen, aber auch als Investorinnen. Deshalb habe ich das Female Finance Forum gegründet, um Frauen genau dort zu stärken.

Welche Ziele hat Dein Female Finance Forum?

Frauen in ihre finanzielle Selbstbestimmung zu begleiten! Wir bauen eine Community, in der wir Wissen vermitteln, Erfahrungen teilen und Ängste abbauen. Mein Ziel ist, dass Geldanlage für Frauen selbstverständlich wird – so wie Zähneputzen.

Hat sich Deiner Meinung nach das Anlageverhalten von Frauen in den letzten Jahren verändert und wenn ja, wie?

Absolut. Immer mehr Frauen investieren eigenständig und früher im Leben – gerade jüngere Frauen steigen viel aktiver ein. Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und Sinn in der Geldanlage spielen dabei eine wichtige Rolle.

Wie wichtig ist es für Frauen, finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen, und welche Schritte sind dafür notwendig?

Sehr wichtig! Wir lernen am besten in Gemeinschaft. Es gibt so viele Frauen, die ähnliche Fragen oder Unsicherheiten haben. Wenn wir unsere Erfahrungen teilen, merken wir: Ich bin nicht allein, und ich kann das! Das geht über Netzwerktreffen, Online-Communitys, gemeinsame Spar- oder Investmentgruppen.

Was hättest Du gerne früher gewusst?

Dass man für den Start in die Geldanlage kein Finanzgenie sein muss. Je früher man beginnt, desto einfacher wird es. Und dass Fehler dazugehören – Hauptsache, man bleibt dran.

Was war Deine erste Aktie? Und welche hättest Du lieber nicht besessen?

Meine ersten Investments waren tatsächlich breit gestreute Fonds. Ich wollte von vornherein das Risiko streuen. Und welche Investition ich lieber nicht gemacht hätte? Eher ein paar Einzelaktien, bei denen ich mir im Nachhinein dachte: Das hätte nicht sein müssen. Aber das war eine gute Lernkurve.

Welche Börsenweisheit sollte man unbedingt beherzigen?

„Hin und her macht Taschen leer.“ – Also: langfristig, breit gestreut investieren und nicht ständig hin- und herspringen.

Wie reagierst Du, wenn die Kurse fallen?

Mit Ruhe. Ich erinnere mich daran, dass Börsenkurse schwanken. Wer langfristig investiert, muss nicht nervös werden. Ein Crash bedeutet nicht automatisch, dass man verliert – es ist nur dann ein Verlust, wenn man verkauft.

Welche Tipps würdest Du Frauen geben, die gerade erst anfangen, sich mit dem Thema Finanzen zu beschäftigen?

Starte klein, aber starte! Mach dir ein klares Bild von deiner finanziellen Situation, bilde einen Notgroschen, und dann fang mit einem simplen ETF-Sparplan an. Informiere dich, hol dir Unterstützung in einer Community – aber lass dich nicht entmutigen. Learning by doing ist hier das Motto.

Was ist Deine Antwort auf den Satz: Geldanlage ist so kompliziert, da kenne ich mich gar nicht aus.

Das klingt groß – ist es aber nicht. Die Grundlagen sind wirklich einfach. Du brauchst kein Finanzstudium, sondern ein paar Basisprinzipien: Streuung, Langfristigkeit, Disziplin. Alles andere ist Kür. Und: Man darf unterwegs lernen. Niemand weiß von Anfang an alles.

Bildquelle: Businessfotografie Frau Winkelmann